Donnerstag, 29. September 2011

Heute ging's ans Eingemachte


Meine Bäuerin und ich, wir haben heute in trauter Zweisamkeit - jawohl, es war romantisch - Birnen, Randen und Quitten eingemacht. Romantisch war es deshalb, weil wir in einer Bauernküche gestanden haben, in der seit gut 300 Jahren Bäuerinnen und ihre Schwestern Früchte und Gemüse einmachen. Und ich muss sagen, das hat etwas. Das hat sogar sehr viel. Das bödelet. Und wie das bödelet, bozzblizz.


Birnen rüsten, sich zwischendurch einen Schnitz in den Mund stecken und die geschnitzten Birnen in Zitronenwasser legen. Wenn's einen juckt aufspringen, weil die Randen, die auf dem Herd köcheln, etwas wild werden beim Köcheln und darum über köcheln...


Dann die Gläser aus dem Vorratskämmerchen holen und heiss abwaschen. Und wieder rasch an den Herd gehen und ein kleines Lobliedchen auf die Randen singen. Dann zurück ans Rüstbrett, dort weiter rüsten und reden und zuhören und erzählen und lachen und still sein und laut werden. Zeit haben. Dieser einen Birne meine ganze Aufmerksamkeit schenken, weil es nichts mehr gibt, ausser dieser Birne in meiner Hand. Meiner Bäuerin neben mir. Den Randen im Kochtopf.


Auf einmal weiss man, dass die Birnen jetzt in die Gläser wollen, also füllt man sie ein. Giesst heissen Sirup darüber und verschliesst sie. Später wird sie meine Bäuerin noch in den grooossen Kochtopf stellen und dort kochen, damit die Wunderdinger mindestens ein Jahr lang geniessbar bleiben.

Und weil ich intuitiv weiss, dass die Bäuerin schon ganz viele Früchte und viel Gemüse eingemacht hat, schleiche ich mich irgendwann davon, gehe Richtung Keller. Da unten sieht's nämlich schampar verführerisch aus. Und beruhigend. Ich hab's zwar nicht wirklich befürchtet, aber es tut doch gut zu wissen, dass meine liebe Bäuerin und ihr Bär im kommenden Winter nicht verhungern werden. Zumal diese Ecke nicht ihre einzige Vorratskammer ist.


Dienstag, 27. September 2011

Wie viel wiegt das Leben?


Ein Schüler kam nach einigen Jahren der Abwesenheit zurück, um seinen weisen alten Lehrer zu sehen, und sprach mit schleppender Stimme: "Meister, das Leben liegt mir wie eine Last auf meinen Schultern. Es drückt mich zu Boden und ich habe das Gefühl, unter dem Gewicht zusammenzubrechen."
"Mein Sohn", sagte der alte Mann mit liebevollem Lächeln, "Das Leben ist leicht wie eine Feder".
"Meister, bei aller Demut, aber hier musst du dich irren, denn ich spüre mein Leben wie eine Last von tausend Pfunden auf mir. Sag, was kann ich tun?"
"Wir sind es selbst, die uns Last auf unsere Schultern laden", sagte der Meister immer noch liebevoll lächelnd.
"Aber..." wollte der Schüler einwenden.
Der alte Mann hob die Hand und sprach: "Dieses 'Aber', mein Sohn, wiegt alleine tausend Pfund."

Quelle: chun-qigong.de

Freitag, 16. September 2011

Ein Hügel und sein Rhinozeross

Wenn ich einen ganzen Tag in Spiez arbeite und deshalb mein Arbeitsweg sogar von einer Rennschnecke innert nützlicher Frist bewältigt werden könnte, habe ich jeweils das Bedürfnis nach frischer Luft und Bewegung. In Spiez bin ich gesegnet mit einer wunderschönen Umgebung. Drei Hügel stehen mir zur Auswahl: Da ist die Bürg, sie liegt Richtung Faulensee; da ist der Spiezberg und da ist der Hondrichhügel. Er ist im Moment mein Lieblingshügel. 


Das sind meine Freunde des Hondrichhügels. Ich liebe sie, diese Bäume und Tannen, die da stehen, leben und wachsen und stehen bleiben über Jahre hinweg und mir das Gefühl geben, herzlich willkommen zu sein.

Der Weg auf den Hondrichhügel beginnt sanft, steigt dann etwas an, wird wieder sanft, steigt wieder an und wird am Ende richtig steil. Anfangs schnaufte ich wie ein Rhinozeross, wenn ich da hoch stieg, heute, na ja... heute nur noch wie ein ganz junges Rhinozeross. 


Oben angekommen, gehe ich jeweils beschwingt über den Hügelrücken. Es ist immer ein gutes Gefühl, den steilen Anstieg hinter mir zu haben. Die Stimmung, egal bei welchem Licht und zu welcher Jahreszeit, ist wohltuend und entspannend für Leib, Seele und Geist. 


Ein Stündchen im Wald sein, mich bewegen, mich umschauen, Steine sammeln oder Blätter, fotografieren, tief durchatmen und anstrengende Gedanken einem Baum anvertrauen oder dem Himmel... das ist pures Glück!


Und doch... was muss ich mich manchmal stüpfen, damit ich mich tatsächlich aufmache zu einem Waldspaziergang! Ich bin mir diese Spaziergänge jetzt am Angewöhnen, damit sie schliesslich eines Tages zu mir gehören wie das Zähneputzen und Duschen. Was ich mit grösster Selbstverständlichkeit für meinen Körper tue, möchte ich auch für meine Seele tun.

Montag, 12. September 2011

Ein Ausbund an Schaffensfreude

Mötschwil. Ein kleines Dorf, irgendwo im Emmental. Eine Dorfbeiz, ein Parkplatz und ein paar Schritte davon entfernt der Luginbühl-Garten. Da wachsen keine Blumen, da stehen wunderbar rostige Skulpturen. In allen Grössen und Formen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die da nicht aus dem Boden gewachsen sind. Denn viele von ihnen sind riesig, alle wirken elefantenschwer. Und alle sehen sie so aus, als hätten sie schon immer da gestanden. Sie sind verwurzelt, verwachsen mit dem Stück Erde, auf dem sie stehen. Obschon diese Dinger so schwer wirken, strahlen sie Leichtigkeit aus, sie sind verspielt und witzig und zaubern darum ein Lächeln auf die Gesichter derer, die sie bestaunen.


Eine Luginbühl-Tochter führt an diesem heissen Sonntagnachmittag durch den Park und erzählt Geschichten zu den Skulpturen. Sie erzählt, dass ihr Vater sehr hartnäckig an einer Sache dranblieb und durchsetzte, was er im Kopf hatte. Gleichzeitig war er enorm flexibel und bereit, mit dem zu arbeiten, was da war und was sich ergab.


Vom Zuhören und Staunen und Fotografieren müde, gönne ich mir nach dem Rundgang eine Speckzüpfe und einen frischen Schluck Most in der Garten-Bar. Aber auch da ist es fast nicht möglich, ruhig zu sitzen oder zu stehen, so viele Gegenstände, Bücher, Filmchen… gibt es zu bestaunen. 


Was mir bleibt? Just do it! Wer mit viel Freude und Kraft an einer Sache dranbleibt, wer sich nicht erschüttern lässt, wenn’s mal nicht kugelrund läuft, wer seinem Herzen folgt und ihm vertraut, der bewegt, der gestaltet, der formt – und beglückt damit sich und die Menschen rundum.



Literatur von Luginbühl, im eigens dafür eingerichteten Kiosk zu erwerben:


Wen's interessiert: www.luginbuehlstiftung.ch

Samstag, 10. September 2011

Samstagmorgen in Spiez

Kurz vor sieben gehe ich los. Es ist wärmer, als ich erwartet habe. Die Strassen sind leer, ich begegne nur einer Wandersfrau. Der Himmel ist offen und weit. Je näher ich der Bucht komme, je ruhiger wird es. Und lebendiger. Das Wasser plätschert an die Boote, die Seile klirren an die Mäste, Vögel pfeifen, Hunde bellen. Ich gehe hinauf zum Schloss und von dort ans Ufer des Sees.


Ich sehe drei Frauen, die gerade ihre Badetücher zusammenpacken. Sie haben weisses Haar, tragen lange Röcke. Auf ihren Gesichtern liegt ein Lächeln und eine vergnügte Zufriedenheit. Ich staune. Und danke ihnen in meinem Herzen. Es ist eine Wohltat, Menschen zu begegnen, die das Glück dieses Spätsommermorgens so voll und ganz geniessen.


Ich gehe den Spiezberg entlang, gehe hinauf. Die steile Treppe ist gesäumt von reifen Trauben. Bald schon ist Erntezeit.


Oben angekommen, ist die Sicht auf "mein" Spiez grandios. Ich liebe diesen Ort. Ich liebe seine Berge, seinen See, sein Schloss. 
Und seine Rosen.


Nur eine Stunde war ich unterwegs... und gehe nach Hause. 
Beschenkt, beglückt von so viel Schönheit und Leben.

Freitag, 9. September 2011

Wie man sich die Welt erlebt


Das neue Buch von Keri Smith ist ein Volltreffer:
Wie man sich die Welt erlebt - Das Alltagsmuseum zum Mitnehmen

Keri Smith gibt unzählige Tipps und schickt einem auf 59 Erkundungen,
auf denen man die Welt entdeckt. Und zwar genau die Welt, in der
man sich täglich bewegt. Tut man diese Erkundungen mit
offenen Augen, Ohren und einem offenen Herzen, kommt man
nicht umhin zu staunen, dass man von Hunderten von Sachen 
umgeben ist, die aufregend und es wert sind,
erkundet zu werden.


Apropos Unterwegs-Sein:
Es gibt kein anderes Ziel, ausser das Hier und Jetzt.
Wer ganz im Hier und Jetzt lebt, bleibt in Bewegung
und damit unterwegs.



Sonntag, 4. September 2011

Nichts bleibt und nichts geht verloren


Heute hat Selina Geburtstag. Sie wird, wenn ich mich nicht irre, 28 Jahre alt. Für mich ist sie wie eine jüngere Schwester. Ich habe mir immer eine gewünscht, jetzt habe ich eine. In meinen Augen ist sie eine wunderschöne Frau. Einzigartig und eigenwillig. Eine Künstlerin, eine Theaterspielerin, ein Herzmensch mit viel Sinn für Humor. Sie geht ihren Weg aufrecht und aufgerichtet. Nicht jeder Schritt, den sie tut, tut sie mit Leichtigkeit. Sie hat viele Fragen. Sie kennt Selbstzweifel und Angst. Sie gönnt sich immer wieder kleine Oasen der Ruhe, in denen sie auf ihr Herz hört und dann weiss, dass sie weiss: Dass das Leben gut ist; dass sie geliebt wird; dass sie alles hat, was sie braucht. Nichts bleibt und nichts geht verloren, das hat sie mir gerade gestern geschrieben.

Selina ist für mich ein ganz besonderer Mensch. Und doch auch wieder nicht. Ich bin nämlich immer wieder beeindruckt, wenn ich einen Menschen kennen lerne und ihn „entdecken“ darf: Jeder Mensch ist auf seine Art ein Wunder, ein Geschenk an diese Welt.

Samstag, 3. September 2011

Sein, tun und lieben


In meinem Leben geht es nur um drei Dinge:
Zu sein, wer ich bin,
zu tun, wozu ich fähig bin
und zu lieben, was ist.

Donnerstag, 1. September 2011

Mein Ring



Mach doch eifach öppis druus, sage ich und überreiche ihr dabei ein Hämpfeli Schmuck. Isch guet, sagt sie und packt mit einem Lächeln meine alten Ringe ein, die ich schon lange nicht mehr trage. Ich sage ihr nicht, wie mein neuer Ring aussehen sollte, das überlasse ich ihr.

Es vergehen ein paar Wochen und dann auf einmal eine SMS, du, dein Ring ist fertig, gö mir ga Käfele. Klar gehen wir und ich bin gespannt wie ein Pfeilbogen. Nimmt mich ja Wunder, was sie mir für einen Ring gegoldschmiedet hat, hoffentlich gefällt er mir. Ja genau, was mache ich, wenn er mir nicht gefällt? Sapperlot, was mach‘ ich dann? Ich kann einer Künstlerin doch nicht ins Gesicht sagen, ihr Werk gefalle mir nicht, das wäre stillos. Hätte ich ihr nicht doch gescheiter klar gesagt, was ich mir unter einem schönen Ring vorstelle? Nein! Sie kennt mich, sie weiss so einiges von mir. Und ich weiss, dass sie intuitiv arbeitet, also bin ich furchtbar gwundrig, wie dieser Ring aussieht, den sie in dieser Art für mich kreiert hat. Mich überraschen zu lassen, gehört zu meiner Lebensphilosophie. Das Leben richtet sich eh nicht nach meinen Vorstellungen, also lasse ich mich auf das ein, was mir das Leben bietet. Es ist immer mehr, grösser und besser als das, was ich mir vorstelle – natürlich unter der Bedingung, dass ich mich auch voll und ganz darauf einlasse. Während ich mit dem Zug von Spiez nach Thun fahre, rotieren meine Gedanken wie der Motor eines Düsenjets. Bei meinem Spaziergang vom Bahnhof ins Kafi wird es still und zwar aus einem einfachen Grund: Ich werde jetzt dann gleich meinen Ring entgegennehmen und er wird sein, wie er ist. Es bringt nichts, ihn in Gedanken jetzt noch formen zu wollen und mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.

Ein paar Minuten später sitzen wir uns gegenüber, sie öffnet ihr kleines Freitagstäschli und nimmt ein schmuckes schwarzes Schachteli hervor und legt es vor mich hin. Ich bestaune zuerst das Schachteli ausgiebig, erhöhe damit die Spannung auf den Ring. Sapperlot, was mache ich, wenn er mir nicht gefällt? Dann öffne ich das Truckli und dann liegt er da. Silbrig und goldig, eckig und kantig. Ich nehme ihn in die Hand, entdecke einen Stern, einen Fisch, eine Lebensblume, eine Spirale, Symbole, die für mich im Moment ganz wichtig sind. Das berührt mich. Ich stecke den Ring an meinen Finger, drehe und wende meine Hand und staune. Der Ring ist wunderschön. Er erzählt mir ganz vieles über mich und stellt mein Leben als Schmuckstück dar. Ein Schmuckstück, wunderschön und perfekt.

Ich nehme den Ring mit, er begleitet mich in meinem Alltag. Er ist kantig und darum pieckst er mich hin und wieder. Und erinnert mich dabei an das, was mir wichtig ist. Die Lebensblume zum Beispiel. Sie ist aus Gold, der Rest des Rings ist silbrig. In ihrem vorherigen Leben war die Lebensblume mein Ehering. Aus meiner Ehe wurde nicht das, was ich mir erhoffte. Ich bin nicht in dieser Enttäuschung stecken geblieben, ich bin weiter gegangen. Etwas Neues ist gewachsen. Nicht das, was ich mir ursprünglich wünschte. Das, was heute da ist, ist unvergleichlich mit dem, was war – es steckt viel Liebe und Freude drin. Die Lebensblume erinnert mich jeden Tag daran, dass ich mich überraschen lassen darf von dem, was ich kreiere und was mir das Leben schenkt.