Freitag, 19. April 2013

Die kleine Mona


Jetzt ist sie schon sieben Tage bei uns, die kleine Mona. Nächsten Dienstag wird sie zehn Wochen alt sein. Sie marschiert in ihrem zarten Alter sehr  selbstverständlich durch die Welt, das ist wunderbar mit anzusehen. Sie ist gwundrig, geht immer vom Besten aller Fälle aus und ist überzeugt, dass die Welt ein riesiger Spielplatz ist.

Wir waren gespannt auf sie, etwas aufgeregt und ungläubig: Dass wir unsere Lebensgemeinschaft um ein Hundebaby erweitern, überrascht uns bis heute. Ich für mich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass die besten Entscheidungen die sind, die ich nie getroffen habe, sondern die eines Tages einfach klar waren. 

Wir sind also zuversichtlich Richtung Luzern gefahren zu Frau Meier. Sie ist eine Bauersfrau, keine Züchterin. Die sieben Welpen hat es ihr im Winter mehr oder weniger ins Haus geschneit, war doch ihre Hündin, die Lili, erst neun Monate alt, als der Nachbarshund sie schwängerte. Das wollte Frau Meier unbedingt verhindern, aber sie hantierte wohl gerade in der Küche, als der Appenzeller die zarte Lili beglückte. Frau Meier backt nämlich gerne, erst Recht seitdem ihre Küche so wunderbar modern geworden ist.

Nach einer kurvenreichen Heimfahrt, auf der die Mona fünfmal gekötzelt hat, sind wir Zuhause angekommen. Wir erledigt, Mona topfit. Kaum dass die Kleine ihre Pfoten auf unseren Boden setzte, schien sie hier auch schon Zuhause zu sein. Sie hat sich in ihr Schlafplätzchen gekuschelt, als wäre es schon immer ihres gewesen. Tja, was will man dazu sagen? Man lächelt. Und freut sich darüber, dass dieses Plätzchen Erde genau das richtige ist für die kleine Mona. 

Natürlich haben wir uns auf unseren Familienzuwachs vorbereitet. Wir haben Futter gekauft, einen Futternapf, Spielsächelchen, Gudelis, ein Halsband, eine Leine, ein Körbli mit Kissen… und selbstverständlich haben wir den Hunde-Theoriekurs besucht. Aber im Grunde geht es ja dann um viel mehr, um die Einstellung, den Umgang mit diesem kleinen Wildfang. Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Man kann sich ausmalen, wie es werden könnte, aber man weiss nicht, wie es sein wird. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich… es ist müssig, darüber nach zu denken und ich bin froh, dass ich nicht wusste, was die Kleine wirklich mit uns anstellt, bzw. was sie durch ihr Verhalten bei uns bewirkt. Davon ein anderes Mal mehr.

Ich habe übrigens gerade einen interessanten Tipp von Edward Hoagland gelesen: Freude an einem Hund haben Sie erst, wenn Sie nicht versuchen, aus ihm einen halben Menschen zu machen. Ziehen sie stattdessen doch einmal die Möglichkeit in Betracht, selbst zu einem halben Hund zu werden. Hmh, das hatte ich bis jetzt wirklich nicht vor... mau luege! ;-)

Donnerstag, 11. April 2013

Hühnerliebe

Es fing alles eigentlich ziemlich deprimierend an: Hühner habe ich nie wirklich beachtet – ich liebte ihr Fleisch, das allerdings sehr entschieden. In unserer Familie, in der wir zu Siebt um den Tisch sassen und ich die Kleinste war, blieb für mich natürlich auch immer ein entsprechend kleines Hühnerteilchen übrig, vielleicht ein Flügeli und dazu ein Stücklein von der Brust. Das habe ich unendlich genossen, selbst die Knochen fast aufgegessen, hätte mich meine fürsorgliche Mutter nicht davon abgehalten. 

Diese Hühnerfleischliebe begann sich leicht einzuschränken, sich zwischendurch gar ins Gegenteil kehren zu wollen, als ich in der siebten Klasse war und mein Schulweg neben einem Hühnerhof durchging. Diese Hühner fand ich dermassen doof und eklig, dass ich in ein Dilemma kam: Mein Lieblingsfleisch war doch Hühnerfleisch, warum nur mussten diese Viecher so abstossend sein? Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich zu jener Zeit die Hühnchen, die meine Mutter in regelmässiger Unregelmässigkeit zubereitete, genossen oder heruntergewürgt habe. Nach meiner Schulzeit, als ich ins Welschland ging und schliesslich die Ausbildung zur Buchhändlerin absolvierte, begegnete ich selten Hühnern und wenn, dann auf meinem Teller. Dort mochte ich sie, wie eh und je.

Als wir nach Krattigen zügelten und ich den Hühnerstall entdeckte, blieben meine Emotionen neutral. Hühner sind Hühner sind Hühner sind Hühner – Punkt. Aber immerhin: Für diesen Hühnerstall bezahlen wir ja Miete, so wie für unser Wohnzimmer, die Küche und unser Scheiss- und Badehäuschen. Ja, was nun? Einfach ungenutzt lassen? Sozusagen die Miete zum Fenster rausschmeissen? Geits no, sicher nid – äuädescho! Es mussten Hühner her. Wir wohnten bereits ein halbes Jahr in Krattigen, also hatte die ländliche Umgebung das Ihrige dazu beigetraten, dass ich ganz allgemein etwas offener wurde für das, was das Landleben eben so mit sich bringt. Hühner zum Beispiel. Wir telefonierten mit Belp und wir fuhren nach Belp. Dort holten wir auf einer Hühnerfarm – Gott behüte! – unsere drei Hühner ab. Mein Schatz hat eine grosse Kartonkiste recht hühnerwohnlich eingerichtet (damit fing’s wohl an) – der Hühnerspezialist staunte und grinste – wir luden drei Stück ein und fuhren heimwärts.



Auf der ganzen Heimfahrt haben wir uns auf das leise Gegacker eingelassen, auf die drei Kleinen eingeredet und sie schliesslich mit zaghaftem Brimborium in ihren neuen alten Hühnerstall gesteckt. Sehr schnell stand für uns fest, dass unsere neuen Familienmitglieder Namen haben müssten, ein Türschild auch, damit dem ganzen Quartier klar war: Die Stuelegg wurde um drei Mitglieder erweitert!

Seither – weiss der Herr, welches Güegi mich gestochen hat – ist meine Hühnerliebe stetig und unaufhaltsam gewachsen. Diese Modis, ich kann sie tatsächlich problemlos unterscheiden, sind grandios. Sie haben alle einen tadellosen Charakter, der zwischendurch von hemmungsloser Gier, eleganter Arroganz oder absolut mieser Laune etwas ins Wanken gerät. Allerdings muss ich gestehen, dass es gerade diese Eigenschaften sind, die ich so wunderbar und herrlich finde. Was soll’s? Auch in meinem Leben gibt es Würmer, die ich unbedingt schnappen muss, koste es, was es wolle. Und auch ich würde, könnte ich es nicht selbstbestimmt tun, meine täglichen Spaziergänge lauthals einfordern. Und wäre ich schon mal eingeladen auf eine kleine Hausbesichtigung der Leute, bei denen ich wohne, ich weiss ich, ob ich es tatsächlich bleiben lassen könnte, in dieser – im Vergleich zum Hühnerstall – doch sehr gut geputzten Wohnung, mein kleines Scheisserchen fallen zu lassen.


Dienstag, 9. April 2013

Von Zürich, der Nummer 49 und unseren Landesvätern



Am 6. April 2013 reisten wir, ein paar Spiezerinnen und Spiezer, nach Zürich. Allesamt waren wir gwundrig auf das, was Zürich für uns parat haben würde. Und Zürich liess sich nicht lumpen. Natürlich hatten wir ein Programm, trotzdem: Zürich trumpfte auf! So, wie es sich für Zürich gehört. Zuerst mit einem Besuch bei Franz Hohler. Er holte uns, mit schwarzem Peret und braunem Jacket, im Bahnhof Oerlikon ab. Gemeinsam spazierten wir zu seinem Haus, einem wunderschönen Altbau, die Nummer 49 einer Strasse, deren Namen ich nicht kenne. Wer zu Franz Hohler geht, der interessiert sich auch nicht für den Namen der Strasse, an der er wohnt, sondern vielmehr, wie er wohnt. Das Haus ist, wie erwähnt, ein altes aus Backsteinen. Mit schönen Balkons und Türmchen und einem steilen Dach. Ganz oben, das zeigte uns Franz Hohler, als wir vor dem Haus standen, hat er seine Schreibstube. Da drin hätten wir alle, 31 an der Zahl, unmöglich Platz gefunden und deshalb waren wir eingeladen, im Erdgeschoss in einer Art Keller, Platz zu nehmen. Ich wäre natürlich gerne in seine Wohnung gegangen, denn wie ein Schriftsteller lebt, das interessiert mich natürlich. Obschon ich sagen muss, dass ich es grundsätzlich interessant finde, wie ein Mensch lebt, sei er nun Schriftsteller oder Zimmermann. Der Keller ist ein ziemlich quadratischer Raum, in dem es 31 Stühle hatte und einen Teil eines alten Klaviers. Seine Grosskinder würden gerne an den Seiten zupfen, deshalb habe er diesen Teil behalten, erzählte Franz Hohler und indem er es ihnen gleich tat, eröffnete er unsere gemeinsame Zeit. Er las ein paar Texte und wurde anschliessend von Bernhard Hauck, Philosoph und Präsident der VHSN, befragt. Wie es damals war, als sich Franz Hohler entschlossen habe, voll aufs Schreiben zu setzen. Woher er seine Ideen habe und was seine Wünsche wären, wenn er drei frei hätte. Seine Antworten haben mir gefallen. Es sei kein Entschluss gewesen, aufs Schreiben zu setzen, sondern ein Versuch. Die Ideen lägen in der Luft, im Alltag, in seinen Träumen – überall! Und seine Wünsche? Dass es ihm und seinen Lieben gut gehe, dass sie gesund und glücklich seien. Dabei zitierte er immer wieder Texte, sang sogar sein Chäslied vor, erzählte die Geschichte von der Made und als ein Handy klingelte nutzte er diesen Anlass, um eine passende Kurzgeschichte vorzulesen.



Natürlich waren die zwei Stunden im Hui vorbei und wir kehrten, glücklich, zufrieden und gut bestückt mit Franz-Hohler-Literatur, zurück in die Stadt.

Das Abendessen genossen wir im Restaurant Reithalle, einer wunderschönen Beiz, die ein herrliches Ambiente und beste Kost bietet.

A
uf dem Abendprogramm standen Tinu Heiniger, Max Lässer und das Überlandorchester. Unplugged im ewz-Unterwerk Selnau. Tinu könnte ich stundenlang zuhören, seine Geschichten und Lieder sind Herzwärmer für mich, die in mir auf angenehme Art Heimatgefühle wecken und die mich zuversichtlich stimmen. Nicht, weil Tinu das Blaue vom Himmel singt, sondern weil er ehrlich ist und von der Sonne und vom Regen des Lebens erzählt. Natürlich war auch Max Lässer und sein Überlandorchester eine Freude. Die Energie, die von dieser Band ausging, hat mich beeindruckt. Vor allem weil diese Männer – jedenfalls der Handörgeler, der ja ziemlich prominent auf der Bühne sitzt - seelenruhig fetzige Lieder spielen.

Am Sonntagmorgen gab’s bei niedrigen Temperaturen und einer heftigen Biese einen Stadtrundgang mit Anekdoten und Geschichtlichem: Von Pestalozzi, der nicht mit Geld umgehen konnte, über Escher, der zur Finanzierung des Gotthards die Kreditanstalt gründete über die Maienkäferplage, bei der die ganze Bevölkerung zur Mithilfe aufgefordert wurde bis hin zu Casanova, der auch nach dreistündiger Beichte und gelobter Besserung nicht von Frauenzimmern lassen konnte über äusserst amüsante Lamentos darüber, weshalb Frauen unmöglich Fahrradfahren dürfen, geschweige denn Medizin studieren, weil damit die ganze Menschheit in Gefahr gebracht würde… Ja, die Zürcher! Sind gar nicht so weit weg von uns Bernern.


Und was ist mein Fazit aus dieser Kulturreise? Dass Zürich immer eine Reise wert ist; dass wir in Franz Hohler und Tinu Heiniger wunderbare „Landesväter“ haben und dass es gut tut, zwischendurch etwas andere Luft zu schnuppern, damit den Horizont zu erweitern, um schliesslich festzustellen: Im Kern sind wir Menschen Menschen. Allesamt aus Sternenstaub und enger miteinander verbunden, als uns manchmal lieb ist.