Es fing alles eigentlich ziemlich deprimierend an: Hühner
habe ich nie wirklich beachtet – ich liebte ihr Fleisch, das allerdings sehr
entschieden. In unserer Familie, in der wir zu Siebt um den Tisch sassen und
ich die Kleinste war, blieb für mich natürlich auch immer ein entsprechend
kleines Hühnerteilchen übrig, vielleicht ein Flügeli und dazu ein Stücklein von
der Brust. Das habe ich unendlich genossen, selbst die Knochen fast
aufgegessen, hätte mich meine fürsorgliche Mutter nicht davon abgehalten.
Diese Hühnerfleischliebe begann sich leicht einzuschränken,
sich zwischendurch gar ins Gegenteil kehren zu wollen, als ich in der siebten
Klasse war und mein Schulweg neben einem Hühnerhof durchging. Diese Hühner fand
ich dermassen doof und eklig, dass ich in ein Dilemma kam: Mein
Lieblingsfleisch war doch Hühnerfleisch, warum nur mussten diese Viecher so abstossend
sein? Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich zu jener Zeit die Hühnchen, die
meine Mutter in regelmässiger Unregelmässigkeit zubereitete, genossen oder
heruntergewürgt habe. Nach meiner Schulzeit, als ich ins Welschland ging und
schliesslich die Ausbildung zur Buchhändlerin absolvierte, begegnete ich selten
Hühnern und wenn, dann auf meinem Teller. Dort mochte ich sie, wie eh und je.
Als wir nach Krattigen zügelten und ich den Hühnerstall entdeckte, blieben meine Emotionen neutral. Hühner sind Hühner sind Hühner sind Hühner – Punkt. Aber immerhin: Für diesen Hühnerstall bezahlen wir ja Miete, so wie für unser Wohnzimmer, die Küche und unser Scheiss- und Badehäuschen. Ja, was nun? Einfach ungenutzt lassen? Sozusagen die Miete zum Fenster rausschmeissen? Geits no, sicher nid – äuädescho! Es mussten Hühner her. Wir wohnten bereits ein halbes Jahr in Krattigen, also hatte die ländliche Umgebung das Ihrige dazu beigetraten, dass ich ganz allgemein etwas offener wurde für das, was das Landleben eben so mit sich bringt. Hühner zum Beispiel. Wir telefonierten mit Belp und wir fuhren nach Belp. Dort holten wir auf einer Hühnerfarm – Gott behüte! – unsere drei Hühner ab. Mein Schatz hat eine grosse Kartonkiste recht hühnerwohnlich eingerichtet (damit fing’s wohl an) – der Hühnerspezialist staunte und grinste – wir luden drei Stück ein und fuhren heimwärts.
Auf der ganzen Heimfahrt haben wir uns auf das leise
Gegacker eingelassen, auf die drei Kleinen eingeredet und sie schliesslich mit
zaghaftem Brimborium in ihren neuen alten Hühnerstall gesteckt. Sehr schnell
stand für uns fest, dass unsere neuen Familienmitglieder Namen haben müssten,
ein Türschild auch, damit dem ganzen Quartier klar war: Die Stuelegg wurde um
drei Mitglieder erweitert!
Seither – weiss der Herr, welches Güegi mich gestochen hat – ist meine Hühnerliebe stetig und unaufhaltsam gewachsen. Diese Modis, ich kann sie tatsächlich problemlos unterscheiden, sind grandios. Sie haben alle einen tadellosen Charakter, der zwischendurch von hemmungsloser Gier, eleganter Arroganz oder absolut mieser Laune etwas ins Wanken gerät. Allerdings muss ich gestehen, dass es gerade diese Eigenschaften sind, die ich so wunderbar und herrlich finde. Was soll’s? Auch in meinem Leben gibt es Würmer, die ich unbedingt schnappen muss, koste es, was es wolle. Und auch ich würde, könnte ich es nicht selbstbestimmt tun, meine täglichen Spaziergänge lauthals einfordern. Und wäre ich schon mal eingeladen auf eine kleine Hausbesichtigung der Leute, bei denen ich wohne, ich weiss ich, ob ich es tatsächlich bleiben lassen könnte, in dieser – im Vergleich zum Hühnerstall – doch sehr gut geputzten Wohnung, mein kleines Scheisserchen fallen zu lassen.
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