Samstag, 21. Februar 2015

Alte Eltern






















Viele Jahre gelebt, gemeinsam geteilt
Freude und Schmerz
Leben geschenkt, Leben verloren
treu und fleissig, hilflos manchmal und ratlos 
doch immer wieder
entschlossen voran gegangen
gehofft, geglaubt, geliebt
vertraut
auf Gott und die Kraft der Liebe
immer nur das Eine
für uns gewollt
das Beste, das Glück

alt geworden und müde
und immer auch wieder
überraschend lebendig
interessiert und teilnehmend


























ich koste sie aus
die gemeinsamen Momente
die herzhaften Küsse und Umarmungen
sie sind gezählt 
und doch 

ich stehe
auf euren Schultern
ihr geht mir voran
ich trage euch in mir und
ihr tragt mich in euch























wir bleiben verbunden
durch die Liebe

weit über den Tod hinaus


Mittwoch, 18. Februar 2015

Vom Lieben und Auskosten oder vom Sehen, was da ist

Wie schön: Eine Freundin von mir sucht gerade Rat bei mir bezüglich Mann. Da lernt sie einen kennen, völlig lockerflockig, natürlich übers Netz, genauer über Facebook. Er hat sich bei ihr gemeldet, sie haben sich dann mal gesehen, als es grade so ging. Er hatte eine Lesung, sie war Zuhörerin. Zu ein paar persönlichen Worten ist es nach der Lesung gekommen. Sie war glücklich, weil es eine gute Begegnung war. Dann wieder Kontakt übers Netz und dann wieder Pause und dann, eines Tages, reicht es doch tatsächlich für einen Chat. Jetzt, so scheint es mir, ist sie gerade sehr glücklich. Dass es einen solchen Menschen überhaupt gibt! Oh Wunder, oh Wunder. Ja, es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Ich muss ja zugeben, ich wollte ihr diesen Mann anfangs ausreden. Er ist ziemlich bekannt, sieht echt gut aus, jedenfalls so, dass man als Frau leicht auf ihn abfährt. Er hat einfach so etwas an sich das gefällt. Ja, und da dachte ich mir, oh nein, bitte nicht. Nicht der! Aber was will man. Sie hat sich den ausgesucht, das ist ihre Sache und ihr gutes Recht. Heute Mittag dann eben die E-Mail: Was soll ich? Soll ich ihn fragen, ob er in einer Beziehung ist oder nicht? Ich muss das doch wissen!

Weshalb eigentlich? Habe ich zurückgefragt, obschon ich sagen muss: Verstehen tu’ ich sie schon. Natürlich will man das wissen. Aber die Frage, weshalb, ist berechtigt. Weshalb eigentlich? Denkst du, er gehört dir dann auf sicher? Du kannst ihn dreiunddreissig Mal heiraten, er wird dir noch immer nicht gehören. Wenn man so berührt und begeistert ist von einem Menschen, dann möchte man ihn festhalten, am liebsten für immer behalten, zumindest anhalten, zu sich nehmen und drücken und nie mehr loslassen. Ein Mann ist aber kein Teddybär, auch kein Auto. Einen Menschen kann man nicht besitzen, er gehört sich selbst.

Aber man kann ihn lieben. Man kann sich freuen, wenn man ihn sieht. Man kann ihn beobachten und genau betrachten, ihm zuhören, nachfragen, ihm von sich erzählen, man kann für ihn kochen, ihn überraschen – man kann ihn respektieren und über das Wunder staunen, das er ist... man kann ganz vieles. Und so oft wollen wir nur eines: Ihn besitzen. Das geben wir nicht unbedingt zu, aber im Grunde möchten wir das schon – zumindest ich. Wenn ich mich frage, warum eigentlich, habe ich keine Antwort. Aber ich spüre, dass da so etwas wie Angst im Nacken sitzt. Die Angst, dieses Glück eines Tages nicht mehr zu haben, dass es mir davon fliegt oder vor mir flieht.

















Die Liebe aber, sie will nicht besitzen. Sie hält nicht fest, sie trauert nicht etwas nach, das vorbei ist. Aber sie lebt und geniesst den Moment. So, als gäbe es kein Morgen. Wenn ich so bewusst und intensiv lebe, habe ich fast gar keine Zeit, Angst zu haben. Weil ich eben so mit dem Moment beschäftigt bin und damit, diesen auszukosten. Und wenn ich jeden Moment auskoste, bin ich satt und zufrieden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich tief in meinem Herzen weiss, dass das Leben mich jeden Moment beschenkt. Nicht immer so, wie ich es gerne hätte, aber es beschenkt mich. Davon auszugehen, dass ich immer die richtigen Geschenke bekomme, hat für mich viel mit Gottvertrauen zu tun und dem Wissen, dass ich behütet und begleitet bin.


Sonntag, 15. Februar 2015

Feine Nachbarn

Attila und Aniko sind unsere Nachbarn. Nicht unsere einzigen, aber die, die uns am nächsten stehen. Als wir in Kontakt gekommen sind, ging es ganz schnell und wir diskutierten über sehr Persönliches. Aniko spricht gut Deutsch und ich staune, wie klar und differenziert sie sich ausdrücken kann. Attila spricht etwas weniger gut, aber mit Anikos Hilfe kann auch er sich mitteilen.
















Attila ist Sozialpädagoge und Aniko ist Lehrerin. Hier arbeiten sie als Reinigungspersonal. Jeweils über Weihnachten und Neujahr reisen sie in ihre Heimat und verbringen da etwa zwei Monate. Kurz vor ihrer Abreise im Dezember sind sie gezügelt, ins übernächste Haus. Die Wohnung ist ursprünglich eine Ferienwohnung, zwei Zimmer, schlicht eingerichtet. Heute sind wir zum Essen eingeladen, sie wollen uns ihr neues Zuhause zeigen. Sie begrüssen uns herzlich und präsentieren uns stolz ihre neue Bleibe. Sie tun das etwa so, wie wir Schweizer eine nigelnagelneue Siebenzimmer-Attikawohnung präsentieren würden. Wenn man eintritt, steht man mitten in der Küche, links ist der Esstisch, etwas weiter vorne die Kombination, zuhinterst im Raum ist eine Türe, wahrscheinlich das Badezimmer. Rechts geht ein Zimmer ab, da drin steht ein Bettsofa, eine Neuanschaffung, mit der sie sehr zufrieden sind. Rechts vorne beim Fenster steht ein kleiner Schreibtisch. Daneben sind Bücherregale, eine Leuchte und eine Pflanze. Etwas weiter rechts sind Einbauschränke. Im Moment leben sie in diesem Raum, das zweite Zimmer planen sie später einzurichten, sie hätten ja so Platz genug.

Nach der Besichtigung werden wir zurück in die Küche geführt und dürfen da Platz nehmen. Liebevoll ist aufgedeckt, schlicht dekoriert. Wir bekommen einen Champagner aus Ungarn angeboten, er schmeckt gut, leicht süsslich. Dann gibt’s Linsensuppe. Attila ist ein grandioser Koch, Suppen sind eine seiner Spezialitäten. Anschliessend gibt’s ein ungarisches Gericht, das uns in grosszügigen Portionen serviert wird. Dazu einen roten Wein, auch aus ihrer Heimat. Wir dürfen auch den weissen Wein probieren oder sollen sie für uns vielleicht noch einen weiteren Champagner öffnen? Oder wäre uns ein Bier lieber? Ja, gastfreundlich sind sie, sie teilen alles, was sie haben. Das ist genau das, was mich so anrührt, diese Einfachheit und Herzlichkeit. 

Wir diskutieren über Gott und die Welt, über ihre Situation und darüber, dass sie schon sehr gerne auch einmal etwas anderes arbeiten würden als putzen. Sie haben sich, kurz vor ihrer Abreise, beim RAV angemeldet, weil es im Winter oft weniger Arbeit gibt. Die Firma, bei der sie arbeiten, reinigt vor allem Neubauten und bei Minustemperaturen kann man keine Fenster putzen. Aniko meint, dass die Frau, die sie auf dem RAV beriet, ziemlich demotivierend gewesen sei, dass sie sich aber die Hoffnung nicht nehmen lassen würden.

















Nach dem Essen gibt es noch einen Schluck Kaffee und etwas Selbstgebackenes dazu. Beim Abschied füllen sie uns zwei Plastikgeschirrchen, das eine mit Linsensuppe, das andere mit dem Hauptgang, packen etwas Kuchen ein und geben uns zwei Bier mit. Sie betonen, wie sehr unser Besuch sie gefreut habe und wie schön es sei, dass wir einander kennen. 

Auf dem kurzen Nachhauseweg wundere ich mich darüber, dass wir mit vollgepackten Händen unterwegs sind – ich fühle mich reich beschenkt. Und wie wir in unser Haus treten, frage ich mich, wie sich wohl unsere Raumeinteilung gestalten liesse, wenn noch jemand bei uns wohnen würde. Wir sind ja nur zu Zweit und haben ein ganzes Haus für uns.

Samstag, 14. Februar 2015

Die nächste Generation

Heute ist der Tag der Liebenden. Wie schön! Ich habe ihn offenbar schon gestern Abend gefeiert, ich war mit meinem Gottemeitschi essen. Xenia ist ein wunderbarer Mensch. Sie hat mich schon als kleines Mädchen berührt mit ihrer Freude und ihrem Gwunder am Leben, ihrer Unerschrockenheit und der Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Platz auf diesem Planeten einnimmt. 

















Die kleine Xenia. Eines meiner Liebelingsbilder, die Aufnahme liegt zehn Jahre zurück.

Sie ist weder laut noch leise und kann doch beides sein – sie ist, wie sie ist. Xenia heisst die Gastfreundliche und das ist sie tatsächlich. Sie wirkt sehr verbindend und offen, sie ist begeistert von ihrer Familie. Sie liebt ihre Grosseltern, die sie regelmässig besucht, sie liebt ihre Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen – und sie liebt mich. Wie wohltuend.

Für mich, die ich selber keine Kinder habe, übernehmen die Kinder meiner Brüder und meiner Schwester die Rolle der nächsten Generation, bzw. die machen mir bewusst, dass da eben jemand nach uns kommt. Das weiss ich auch so, aber so hautnah erfahre ich es eben durch meine Nichten und Neffen. Ich habe mir gerade überlegt, dass, wenn man selber Kinder hat, schon ganz anders mit der nächsten Generation konfrontiert ist. Man erlebt sie ja täglich und setzt sich mit ihr auseinander. Da kommt in mir schon auch der Gedanke auf: Mein Gott, was verpasst du da. Auf der anderen Seite ist mein Leben, wie es ist. Was macht es für einen Sinn, wenn ich darüber nachdenke, was ich alles verpasse, indem ich mein Leben lebe. Das bringt mich nirgendwohin. Umso dankbarer bin ich, wenn ich eben z.B. mit Xenia in Kontakt stehe und ein klein wenig davon mitbekomme, was und wie sie lebt. Wie sie über das Leben denkt, was sie erlebt, nach was sie sich ausrichtet, was ihr wichtig ist.

Da kommt mir mein Tanti, das Huldy in den Sinn. Sie sagt mir immer wieder, wie dankbar dass sie ist, wenn ich mich bei ihr melde, wenn ich sie einlade. Weil sie eben selber keine Kinder hat, freut sie sich sehr, mitzubekommen, was bei den Kindern ihrer Geschwister läuft. Huldy führt übrigens ein sehr erfülltes Leben, sie hat viele Freunde und Bekannte. Sie springt auch immer wieder ein und ersetzt für einsame Menschen Freunde und Familie. Das beeindruckt mich, das finde ich sehr schön. Sie sagte mir vor kurzem, dass sie grundsätzlich gerne mit Menschen zusammen sei, dass sie es absolut nicht möge, alleine zu sein. Sie ist nicht wählerisch, mit welchen Menschen sie zusammen ist. Sie ist mit denen zusammen, die da sind, die ihr über den Weg laufen. Aber natürlich, über die Jahre, hat sich für sie auch so etwas wie eine Familie gebildet, die aus Menschen besteht, die ihr nahe sind und mit denen sie ihr Leben teilt.

















Im letzten Sommer schenkte mir Huldy einen Ring, den sie in ihren Jugendjahren getragen hat. Sie wisse nicht, was sie mit ihm anfangen solle, sagte sie. Sie würde sich einfach freuen, wenn jemand anderen diesen Ring tragen würde, weil er ihr so viel Freude bereitet habe. Jetzt trage ich ihn. Vielleicht werde ich ihn irgendwann Xenia schenken. Sie hat ihn nämlich gestern Abend an meinem Finger entdeckt, er hat ihr gut gefallen.