Mittwoch, 12. November 2014

Herbst - oder vom Werden und Vergehen

Das raschelnde Laub, die braungrüne Stille, der weiche Nebel - 
das ist Herbst in Krattigen.


Für mich ist es die Jahreszeit, die mir deutlich zeigt, dass ich, 
dass wir nicht die Ersten sind - und nicht die Letzen sein werden.
Wie die Natur aufblüht und gedeiht und verblüht und sich zurückzieht,
um tief in der Erde drin neue Kraft zu tanken, so ist es auch mit uns Menschen. Vor uns waren schon ganz viele da. Sind ihren Weg gegangen, haben gelebt und geliebt, haben geschuftet und gewerkelt - 
und gesät, damit wir heute ernten können. 

 

Mich dem Leben hingeben mit allem, was ich bin, ohne zu fragen
warum und weshalb.
Blühen, wachsen und gedeihen - 
und eines Tages verblühen, den Glanz verlieren
und die Kraft und mich dankbar für das, was war,
zurückziehen. Im Wissen, dass es dann für jemand
anderen Frühling wird, dass jemand nach mir kommt,
der aufblüht und tut, was getan werden will.


Die nebligen, leicht mythischen Stimmungen sind ein wunderbares Bild dafür, dass wir nie so genau wissen, was auf uns zukommt. Also lassen wir uns am besten darauf ein und machen uns nichts vor. 
Ungewissheit, offene Fragen und nebulöse Zustände, sie gehören zu unserem Leben. Hauptsache, wir spüren mit Leib und Seele, dass wir verbunden sind - in der bedingungslosen Liebe und dadurch mit allem, was lebt.


Mittwoch, 1. Oktober 2014

Eine Beiz, zwei Kraftwerke und ein paar verrückte Ideen

Ich war letzten Freitag im Muothatal, ich sollte einen Beizer interviewen. Ich war noch nie dort und hatte lediglich das Bild des Wetterschmöckers Martin Horat vor mir. So urchig, wie der aussieht, habe ich mir das Tal vorgestellt – und wurde ent-täuscht. Es ist ein ganz normales Tal, wenn man den Kopf in den Nacken legt, sieht man die Berge, ansonsten... ja, ein Tal eben. Die Leute sehen nicht wie Bergler aus, eigentlich logisch, es sind ja auch Tälerler – oder einfach die aus dem Tal. Vielleicht kann ein echter Schwyzer die aus dem Tal von einem, der in Schwyz wohnt, unterscheiden.


Ab Bahnhof Schwyz fährt man mit dem Bus eine gute halbe Stunde, bis man hinten im Tal ist. Dort trifft man auf einzelne Häuser, eine grosse Sägerei, es wird gebaut und das Restaurant Höllgrotte kann man nicht verpassen. Direkt vor dem Eingang springt einem ein Schild ins Auge: „Das ist ein Raucherrestaurant. Nichtraucher sind auch willkommen.“ Voilà. Da meinte man doch, die Zeiten des Rauchens in Restaurants sei vorbei. Hier im Muothatal herrschen offenbar noch andere Regeln. Auch gut. Zur Begrüssung schaut man in ein paar gwundrige Augenpaare, der Beizer steht auch gleich da, streckt die Hand entgegen, grüsst und grinst und sagt, man könne dahinten irgendwo sitzen. Ich suche mir ein Plätzli und kaum dass ich sitze, werde ich gefragt, was ich essen möchte. Das Arbeitermenü sei heute eine Pilzsuppe, ein Salat, ein Fleischspiess, Kartoffeln und Gemüse. Das klingt gut. Den Büezern, die bereits am Essen sind, sieht man an, dass sie geschuftet haben. Ich hingegen bin heute nur gereist und trotzdem hungrig – aber bestimmt nicht so, wie die Büezer und darum bestelle ich die halbe Portion.


Ich habe mich gerade so ein bisschen umgeschaut, da kommt die Serviertochter mit einer Schüssel daher und schöpft mir Suppe ins Teller. Nach dem ersten grossen Löffel sage ich danke. Sie schöpft zwei weitere Löffel dazu, offenbar werde ich hier gut versorg. Ist eben schon so: Wer nicht essen mag, mag auch nicht schaffen. Und ich habe ja noch ein grosses Interview vor mir, also schaufle ich die Suppe rein. Das Salätchen dann, das ist klein und fein und das Menü sättigt mich wunderbar.

Um Viertel nach Zwölf ist die Beiz voll, rundum wird gegessen, dazwischen ein paar Worte geredet. Jeder grüsst jeden und alle scheinen einander zu kennen. Als gegen halb eins noch ein Dutzend Männer eintreffen, ist leicht zu erkennen, dass das keine Büezer sind, sondern Auswärtige. Die essen dann auf dem Terrässli, denn drinnen hat es keinen Platz mehr.


Von denen, die fertig sind mit essen, bestellen einige noch einen Kafi mit Güx. Für dass dieses Restaurant ein Raucherrestaurant ist, wird wenig geraucht. Nach dem Essen allerdings geniesst schon der eine oder andere ein Zigarettchen. Und dann gehen die ersten Büezer schon wieder und der Beizer schaut hin und wieder in meine Richtung und sagt beim Vorübergehen, dass er dann gleich komme, sorry gäu. Ich habe Zeit, ich bin kein Büezer und das sage ich ihm auch, aber er scheint das nicht zu hören. Mein Teller steht lange leer vor mir und als der Beizer kommt und ihn wegnimmt, fragt er, ob ich einen Kafi oder Espresso will. Einen Espresso, sage ich. Er bringt dann gleich einen Doppelten, weil, meint er, es kann noch dauern.


Während ich da an meinem doppelten Espresso nippe, gibt es offenbar Schichtwechsel. Die Büezer bezahlen und verabschieden sich und der Stammtisch füllt sich langsam mit etwas älteren Männern, die zusammen einen Schluck Wein trinken und dazu eine rauchen.


Kurz vor halb zwei findet der Beizer dann Zeit und setzt sich zu mir. Vor knapp 30 Jahren hat Bruno Suter die Beiz seinen Eltern abgekauft. Bei ihm essen vor allem Büezer, Einheimische und Touristen. Und die Wetterschmöcker? Ja, die würden auch kommen und von denen kenne er ein paar. Aber wie es einem Propheten im eigenen Land eben so ergehe, gäu. Er wisse ja auch nicht, wie in Bern über Polo Hofer geredet werde. Neben der Beiz betreibt der Bruno ein Wasserkraft- und ein Heizwerk und versorgt damit fünfzehn Haushaltungen mit Strom. Darauf ist er stolz. Ihm liegt nicht nur die Umwelt am Herzen, sondern auch die Politik. Vor ein paar Jahren wollte er einsteigen und hat für die Mehrheitsparty kandidiert. Ja, die Leute sollten mehr Party machen und weniger Politik. Bei den Wahlen als Regierungsrat konnte er überraschend viele Stimmen für sich gewinnen. Beim ersten Wahlgang hatte er zwar nicht das absolute Mehr, aber er hatte am meisten Stimmen. Mehr als die von der SVP, der SP und der FDP, damit habe er nicht gerechnet. Aber schliesslich hat es dann doch nicht gereicht – und das ist gut so.


Ob er so etwas wie ein Original sei, ein Muothataler-Original? Jeder ist ein Original, sagt Bruno darauf. Ich bin einfach ein Beizer mit einem Wasserkraft- und einem Heizwerk und zwischendurch habe ich ein paar verrückte Ideen, das ist alles.

Dienstag, 24. Juni 2014

Es näbelet, es rägelet, es geit e chüele Wind...



Die Vögel singen, die Hasen hüpfen - 
alle anderen haben wir heute nicht angetroffen...



Ausser Mademoiselle Blumenschön, die Empfangsdame vom Rehmätteli. Ihr stiller Gruss hat uns willkommen geheissen.



Das Rehmätteli liegt etwas oberhalb von Krattigen. Es ist ein besonderer Ort, sehr lebendig, man ist da nicht alleine, auch wenn sich niemand zeigt.



Im Dorf erzählt man sich, hier sollen Elfen und Feen hausen - manche sind ihnen schon begegnet oder haben sie lachen gehört.



Dieser Baum steht mitten auf dem Rehmätteli, wir haben vor einem Weilchen Freundschaft geschlossen - eine wortlose und herzreiche Angelegenheit.



Kräftig steht er da, still und sehr lebendig.



Sie steht am Ausgang vom Rehmätteli.
Sie hat uns ihren Segen mitgegeben - 
und wir haben ihr unseren Segen dagelassen.


Mittwoch, 30. April 2014

Wenn sie nicht gerade GaultMillaut-Punkte sammeln, sind sie im Schlosspark am Schüttelen



Das klingt jetzt gerade etwas sehr locker, GaultMillaut-Punkte sammelt man nicht einfach so - auf der anderen Seite eben schon. Jedenfalls wenn man zur Crew des Restaurants Schloss Oberhofen gehört, seine Arbeit liebt und Vollgas gibt. GaultMillaut war jedenfalls kein Thema, bis eben die Herren von GaultMillaut da und begeistert waren. Und wenn die schon da sind, wenn einem die Punkte schon serviert werden, zwölf an der Zahl, ja dann - sagt man bestimmt nicht nein. 

Aber was erzähle ich hier von GaultMillaut? Im Restaurant Schloss Oberhofen geht es nicht um Auszeichnungen, sondern und ausschliesslich um Gastfreundschaft und darum, das zu tun was wirklich Freude macht und überzeugt. Und deshalb geht es auch um eine schmackhafte und kreative Küche und darum, mit den Lebensmittel zu arbeiten, die da sind. Sprich vor Ort oder um den See herum. Allerhöchstens bis Costa Rica, denn von da kommt der Kaffe. Costa Rica ist nicht um die Ecke, klar, aber Kaffee wächst nun mal nicht in Oberhofen. Einzelne Weine kommen aus Frankreich, Spanien, Italien... und viele sind aus der Schweiz, weil die Schweizer Winzer wunderbar zugelegt haben. Und Erdbeeren gibt es hier, wenn die hiesigen reif sind. Bei den Spargeln ist es dasselbe. Salzwasserfische bekommt man nicht, dafür, wenn die Fischer einen guten Fang gemacht haben, Süsswasserfische aus dem Thunersee. Früchte und Gemüse gibt's aus der Umgebung, nicht alles bio, aber alles frisch von den Bauern. 


Heute Morgen hat es so richtig heftig und deftig geregnet. Wenn man da hinter den grossen Scheiben sitzt und dem Regentropfentanz zusieht, dann vermisst man die Sonne überhaupt nicht... Regen kann nämlich auch saumässig gut aussehen...

 

Das Team ist jung, begeistert, frisch und froh. Eine wahre Freude zum Zuschauen! Diese Unbeschwertheit, den Mut, anzupacken, loszulegen - ins kalte Wasser gumpen! Nicht zu wissen, sondern zu wagen, weil es einem an allen Haaren zieht. 


Schön finde ich auch, dass es in diesem Restaurant keine Speisekarten gibt. Da gibt es eine grosse schwarze Tafel, die ist mit weisser Kreide beschrieben und die wird einem vor den Tisch gestellt und präsentiert. Die Auswahl der Speisen ist nicht riesig, aber dafür herrlich gluschtig. Und die Bereitschaft des Teams, sich auf die Gäste einzulassen, da zu sein, aufmerksam und präsent - das tut einfach nur gut und wohl. Ja, hier ist man willkommen! Ob das nicht aufwendig ist, frage ich noch, allen alles zu präsentieren? Ja, das sei aufwendig. Aber das Team liebe es, Gastgeber zu sein und schätze es daher auch, sich Zeit für die Gäste nehmen zu dürfen. 

Apropos GaultMillaut: Man findet nirgendwo eine Tafel, die darüber informieren würde. Aber im Schlosspark trifft man die Köche tatsächlich beim Schüttelen an. Tut doch gut, mal die Füsse, anstatt die Hände, spielen und werkeln zu lassen - klingt irgendwie logisch... 


Ich mag das: Da gehe ich, wie eben heute Morgen, zu irgendeinem Menschen, der seine Arbeit tut, in der Regel mit Begeisterung, und darf den einfach ausfragen - ich gehe ja im Auftrag eines Kunden. Dass ich mich über das, was ich höre, so sehr freuen mag wie bei diesem Interview mit Fabienne Lüdi, das ist nicht immer der Fall. Aber es ist immer schön und berührend, Menschen zu zuhören und zu erfahren, was sie tun, was ihnen wichtig ist und was sie antreibt.