Ich war letzten Freitag im Muothatal, ich
sollte einen Beizer interviewen. Ich war noch nie dort und hatte lediglich das
Bild des Wetterschmöckers Martin Horat vor mir. So urchig, wie der aussieht,
habe ich mir das Tal vorgestellt – und wurde ent-täuscht. Es ist ein ganz normales Tal, wenn man den Kopf in den Nacken legt, sieht man die Berge, ansonsten...
ja, ein Tal eben. Die Leute sehen nicht wie Bergler aus, eigentlich logisch, es
sind ja auch Tälerler – oder einfach die aus dem Tal. Vielleicht kann ein
echter Schwyzer die aus dem Tal von einem, der in Schwyz wohnt, unterscheiden.
Ab
Bahnhof Schwyz fährt man mit dem Bus eine gute halbe Stunde, bis man hinten im
Tal ist. Dort trifft man auf einzelne Häuser, eine grosse Sägerei, es wird
gebaut und das Restaurant Höllgrotte kann man nicht verpassen. Direkt vor dem
Eingang springt einem ein Schild ins Auge: „Das ist ein Raucherrestaurant.
Nichtraucher sind auch willkommen.“ Voilà. Da meinte man doch, die Zeiten des
Rauchens in Restaurants sei vorbei. Hier im Muothatal herrschen offenbar noch
andere Regeln. Auch gut. Zur Begrüssung schaut man in ein paar gwundrige
Augenpaare, der Beizer steht auch gleich da, streckt die Hand entgegen, grüsst
und grinst und sagt, man könne dahinten irgendwo sitzen. Ich suche mir ein Plätzli
und kaum dass ich sitze, werde ich gefragt, was ich essen möchte. Das
Arbeitermenü sei heute eine Pilzsuppe, ein Salat, ein Fleischspiess, Kartoffeln
und Gemüse. Das klingt gut. Den Büezern, die bereits am Essen sind, sieht man
an, dass sie geschuftet haben. Ich hingegen bin heute nur gereist und trotzdem
hungrig – aber bestimmt nicht so, wie die Büezer und darum bestelle ich die
halbe Portion.
Ich
habe mich gerade so ein bisschen umgeschaut, da kommt die Serviertochter mit
einer Schüssel daher und schöpft mir Suppe ins Teller. Nach dem ersten grossen
Löffel sage ich danke. Sie schöpft zwei weitere Löffel dazu, offenbar werde ich
hier gut versorg. Ist eben schon so: Wer nicht essen mag, mag auch nicht
schaffen. Und ich habe ja noch ein grosses Interview vor mir, also schaufle ich
die Suppe rein. Das Salätchen dann, das ist klein und fein und das Menü sättigt
mich wunderbar.
Um
Viertel nach Zwölf ist die Beiz voll, rundum wird gegessen, dazwischen ein paar
Worte geredet. Jeder grüsst jeden und alle scheinen einander zu kennen. Als
gegen halb eins noch ein Dutzend Männer eintreffen, ist leicht zu erkennen,
dass das keine Büezer sind, sondern Auswärtige. Die essen dann auf dem
Terrässli, denn drinnen hat es keinen Platz mehr.
Von denen, die fertig sind mit essen,
bestellen einige noch einen Kafi mit Güx. Für dass dieses Restaurant ein
Raucherrestaurant ist, wird wenig geraucht. Nach dem Essen allerdings geniesst schon
der eine oder andere ein Zigarettchen. Und dann gehen die ersten Büezer schon
wieder und der Beizer schaut hin und wieder in meine Richtung und sagt beim
Vorübergehen, dass er dann gleich komme, sorry gäu. Ich habe Zeit, ich bin kein
Büezer und das sage ich ihm auch, aber er scheint das nicht zu hören. Mein
Teller steht lange leer vor mir und als der Beizer kommt und ihn wegnimmt,
fragt er, ob ich einen Kafi oder Espresso will. Einen Espresso, sage ich. Er
bringt dann gleich einen Doppelten, weil, meint er, es kann noch dauern.
Während ich da an meinem doppelten Espresso
nippe, gibt es offenbar Schichtwechsel. Die Büezer bezahlen und verabschieden
sich und der Stammtisch füllt sich langsam mit etwas älteren Männern, die
zusammen einen Schluck Wein trinken und dazu eine rauchen.
Kurz vor halb zwei findet der Beizer dann Zeit
und setzt sich zu mir. Vor knapp 30 Jahren hat Bruno Suter die Beiz seinen
Eltern abgekauft. Bei ihm essen vor allem Büezer, Einheimische und Touristen.
Und die Wetterschmöcker? Ja, die würden auch kommen und von denen kenne er ein
paar. Aber wie es einem Propheten im eigenen Land eben so ergehe, gäu. Er wisse
ja auch nicht, wie in Bern über Polo Hofer geredet werde. Neben der Beiz
betreibt der Bruno ein Wasserkraft- und ein Heizwerk und versorgt damit
fünfzehn Haushaltungen mit Strom. Darauf ist er stolz. Ihm liegt nicht nur die
Umwelt am Herzen, sondern auch die Politik. Vor ein paar Jahren wollte er einsteigen
und hat für die Mehrheitsparty kandidiert. Ja, die Leute sollten mehr Party
machen und weniger Politik. Bei den Wahlen als Regierungsrat konnte er überraschend
viele Stimmen für sich gewinnen. Beim ersten Wahlgang hatte er zwar nicht das
absolute Mehr, aber er hatte am meisten Stimmen. Mehr als die von der SVP, der
SP und der FDP, damit habe er nicht gerechnet. Aber schliesslich hat es dann
doch nicht gereicht – und das ist gut so.
Ob er so etwas wie ein Original sei, ein
Muothataler-Original? Jeder ist ein Original, sagt Bruno darauf. Ich bin
einfach ein Beizer mit einem Wasserkraft- und einem Heizwerk und zwischendurch
habe ich ein paar verrückte Ideen, das ist alles.
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