Mittwoch, 1. Oktober 2014

Eine Beiz, zwei Kraftwerke und ein paar verrückte Ideen

Ich war letzten Freitag im Muothatal, ich sollte einen Beizer interviewen. Ich war noch nie dort und hatte lediglich das Bild des Wetterschmöckers Martin Horat vor mir. So urchig, wie der aussieht, habe ich mir das Tal vorgestellt – und wurde ent-täuscht. Es ist ein ganz normales Tal, wenn man den Kopf in den Nacken legt, sieht man die Berge, ansonsten... ja, ein Tal eben. Die Leute sehen nicht wie Bergler aus, eigentlich logisch, es sind ja auch Tälerler – oder einfach die aus dem Tal. Vielleicht kann ein echter Schwyzer die aus dem Tal von einem, der in Schwyz wohnt, unterscheiden.


Ab Bahnhof Schwyz fährt man mit dem Bus eine gute halbe Stunde, bis man hinten im Tal ist. Dort trifft man auf einzelne Häuser, eine grosse Sägerei, es wird gebaut und das Restaurant Höllgrotte kann man nicht verpassen. Direkt vor dem Eingang springt einem ein Schild ins Auge: „Das ist ein Raucherrestaurant. Nichtraucher sind auch willkommen.“ Voilà. Da meinte man doch, die Zeiten des Rauchens in Restaurants sei vorbei. Hier im Muothatal herrschen offenbar noch andere Regeln. Auch gut. Zur Begrüssung schaut man in ein paar gwundrige Augenpaare, der Beizer steht auch gleich da, streckt die Hand entgegen, grüsst und grinst und sagt, man könne dahinten irgendwo sitzen. Ich suche mir ein Plätzli und kaum dass ich sitze, werde ich gefragt, was ich essen möchte. Das Arbeitermenü sei heute eine Pilzsuppe, ein Salat, ein Fleischspiess, Kartoffeln und Gemüse. Das klingt gut. Den Büezern, die bereits am Essen sind, sieht man an, dass sie geschuftet haben. Ich hingegen bin heute nur gereist und trotzdem hungrig – aber bestimmt nicht so, wie die Büezer und darum bestelle ich die halbe Portion.


Ich habe mich gerade so ein bisschen umgeschaut, da kommt die Serviertochter mit einer Schüssel daher und schöpft mir Suppe ins Teller. Nach dem ersten grossen Löffel sage ich danke. Sie schöpft zwei weitere Löffel dazu, offenbar werde ich hier gut versorg. Ist eben schon so: Wer nicht essen mag, mag auch nicht schaffen. Und ich habe ja noch ein grosses Interview vor mir, also schaufle ich die Suppe rein. Das Salätchen dann, das ist klein und fein und das Menü sättigt mich wunderbar.

Um Viertel nach Zwölf ist die Beiz voll, rundum wird gegessen, dazwischen ein paar Worte geredet. Jeder grüsst jeden und alle scheinen einander zu kennen. Als gegen halb eins noch ein Dutzend Männer eintreffen, ist leicht zu erkennen, dass das keine Büezer sind, sondern Auswärtige. Die essen dann auf dem Terrässli, denn drinnen hat es keinen Platz mehr.


Von denen, die fertig sind mit essen, bestellen einige noch einen Kafi mit Güx. Für dass dieses Restaurant ein Raucherrestaurant ist, wird wenig geraucht. Nach dem Essen allerdings geniesst schon der eine oder andere ein Zigarettchen. Und dann gehen die ersten Büezer schon wieder und der Beizer schaut hin und wieder in meine Richtung und sagt beim Vorübergehen, dass er dann gleich komme, sorry gäu. Ich habe Zeit, ich bin kein Büezer und das sage ich ihm auch, aber er scheint das nicht zu hören. Mein Teller steht lange leer vor mir und als der Beizer kommt und ihn wegnimmt, fragt er, ob ich einen Kafi oder Espresso will. Einen Espresso, sage ich. Er bringt dann gleich einen Doppelten, weil, meint er, es kann noch dauern.


Während ich da an meinem doppelten Espresso nippe, gibt es offenbar Schichtwechsel. Die Büezer bezahlen und verabschieden sich und der Stammtisch füllt sich langsam mit etwas älteren Männern, die zusammen einen Schluck Wein trinken und dazu eine rauchen.


Kurz vor halb zwei findet der Beizer dann Zeit und setzt sich zu mir. Vor knapp 30 Jahren hat Bruno Suter die Beiz seinen Eltern abgekauft. Bei ihm essen vor allem Büezer, Einheimische und Touristen. Und die Wetterschmöcker? Ja, die würden auch kommen und von denen kenne er ein paar. Aber wie es einem Propheten im eigenen Land eben so ergehe, gäu. Er wisse ja auch nicht, wie in Bern über Polo Hofer geredet werde. Neben der Beiz betreibt der Bruno ein Wasserkraft- und ein Heizwerk und versorgt damit fünfzehn Haushaltungen mit Strom. Darauf ist er stolz. Ihm liegt nicht nur die Umwelt am Herzen, sondern auch die Politik. Vor ein paar Jahren wollte er einsteigen und hat für die Mehrheitsparty kandidiert. Ja, die Leute sollten mehr Party machen und weniger Politik. Bei den Wahlen als Regierungsrat konnte er überraschend viele Stimmen für sich gewinnen. Beim ersten Wahlgang hatte er zwar nicht das absolute Mehr, aber er hatte am meisten Stimmen. Mehr als die von der SVP, der SP und der FDP, damit habe er nicht gerechnet. Aber schliesslich hat es dann doch nicht gereicht – und das ist gut so.


Ob er so etwas wie ein Original sei, ein Muothataler-Original? Jeder ist ein Original, sagt Bruno darauf. Ich bin einfach ein Beizer mit einem Wasserkraft- und einem Heizwerk und zwischendurch habe ich ein paar verrückte Ideen, das ist alles.

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