Ich bin, was ich über mich erzähle - unter diesem Titel ist
in der NZZ am Sonntag ein lesenswerter Artikel erschienen. Dan McAdams sagt,
dass wir unsere Identität erschaffen, indem wir Geschichten über uns erzählen.
Diese Geschichten haben noch einen weiteren Sinn und zwar den, uns zu erlösen. Zum
Beispiel von Erlebnissen, die wir nicht einordnen oder erklären können. Eine
Geschichte hilft uns, Erlebtes zu verstehen. Vielleicht auch dabei, dem
Erlebten etwas Positives abzugewinnen. Aber nicht nur um Unverständliches weben
wir Geschichten, wir kreieren um alles eine Geschichte. Wir erklären uns damit,
verknüpfen unser Leben zu einem Ganzen. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Nämlich
das, unser Leben im Griff zu haben und zu verstehen, wieso wir Dieses und Jenes
erleben und tun.
Ob unsere Geschichten wahr sind, kann nichts und niemand
beweisen. Das heisst, wenn ich jemandem erzähle, dass ich vor gut einem Jahr
nach Krattigen gezügelt bin und jetzt in einem alten, einfachen Haus lebe, dann
ist das eine Tatsache. Ich kann diese Tatsache ausschmücken, eben eine
Geschichte drum rum spinnen, die sämtliche Wiesos und Weshalbs enthält. Wie viel
dieses Erzählte, das ich neben der Tatsache gerne zum Besten gebe – reine Fakten
können so langweilig und unspektakulär sein – mit der Realität zu tun hat, sei
dahin gestellt. Damit will ich nicht sagen, dass ich das Blaue vom Himmel
herunter lüge, nein. Ich erzähle in diesen Geschichten das, was ich für wahr
halte, was auch meiner momentanen Sicht der Realität entspricht. Es kann aber
ganz gut sein, dass ich ein Jahr später über diese eine Tatsache meines Lebens
eine ganz andere Geschichte erzähle.
Für mich ist es wichtig, mir dessen bewusst zu sein. Weil ich eh immer
wieder auf der Suche nach der Wahrheit bin. Was ist wirklich wahr? Wie vieles
könnte ich einfach weglassen, weil es kaum etwas mit der Realität zu tun hat,
sondern schlicht und einfach eine Idee oder Interpretation ist?
Ich bin überzeugt, dass das Leben an sich sehr einfach ist.
Wir sind es, die es kompliziert, komplex oder phantasievoll, magisch,
beeindruckend… machen. Das ist auch in Ordnung, denn das kann ja sehr
beglückend sein. Aber es kann unser Leben eben auch schwerfällig und anstrengend
machen. Deshalb finde ich es wichtig, mir meiner Geschichten bewusst zu sein
und mir immer mal wieder die Frage zu stellen: Ist das, was ich da erzähle,
wirklich wahr? Kann ich tatsächlich wissen, dass es wahr ist? Wenn ich diese
Frage mit nein beantworten muss, dann heisst das für mich auch, dass ich diese
eine Geschichte im Moment so erlebe und empfinde, dass die sich aber auch noch
entwickeln und verändern kann. Sprich, ich bin mir bewusst, dass das, was ich
heute erlebe und empfinde, für heute gilt – wer weiss, was Morgen sein wird? Das
Blatt wird wieder schneeweiss sein – siehe Beitrag vom 12. Januar.
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