Sonntag, 13. Januar 2013

Phantasievolle Geschichten - nüchterne Fragen



Ich bin, was ich über mich erzähle - unter diesem Titel ist in der NZZ am Sonntag ein lesenswerter Artikel erschienen. Dan McAdams sagt, dass wir unsere Identität erschaffen, indem wir Geschichten über uns erzählen. Diese Geschichten haben noch einen weiteren Sinn und zwar den, uns zu erlösen. Zum Beispiel von Erlebnissen, die wir nicht einordnen oder erklären können. Eine Geschichte hilft uns, Erlebtes zu verstehen. Vielleicht auch dabei, dem Erlebten etwas Positives abzugewinnen. Aber nicht nur um Unverständliches weben wir Geschichten, wir kreieren um alles eine Geschichte. Wir erklären uns damit, verknüpfen unser Leben zu einem Ganzen. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Nämlich das, unser Leben im Griff zu haben und zu verstehen, wieso wir Dieses und Jenes erleben und tun.

Ob unsere Geschichten wahr sind, kann nichts und niemand beweisen. Das heisst, wenn ich jemandem erzähle, dass ich vor gut einem Jahr nach Krattigen gezügelt bin und jetzt in einem alten, einfachen Haus lebe, dann ist das eine Tatsache. Ich kann diese Tatsache ausschmücken, eben eine Geschichte drum rum spinnen, die sämtliche Wiesos und Weshalbs enthält. Wie viel dieses Erzählte, das ich neben der Tatsache gerne zum Besten gebe – reine Fakten können so langweilig und unspektakulär sein – mit der Realität zu tun hat, sei dahin gestellt. Damit will ich nicht sagen, dass ich das Blaue vom Himmel herunter lüge, nein. Ich erzähle in diesen Geschichten das, was ich für wahr halte, was auch meiner momentanen Sicht der Realität entspricht. Es kann aber ganz gut sein, dass ich ein Jahr später über diese eine Tatsache meines Lebens eine ganz andere Geschichte erzähle.

Für mich ist es wichtig, mir dessen bewusst zu sein. Weil ich eh immer wieder auf der Suche nach der Wahrheit bin. Was ist wirklich wahr? Wie vieles könnte ich einfach weglassen, weil es kaum etwas mit der Realität zu tun hat, sondern schlicht und einfach eine Idee oder Interpretation ist?

Ich bin überzeugt, dass das Leben an sich sehr einfach ist. Wir sind es, die es kompliziert, komplex oder phantasievoll, magisch, beeindruckend… machen. Das ist auch in Ordnung, denn das kann ja sehr beglückend sein. Aber es kann unser Leben eben auch schwerfällig und anstrengend machen. Deshalb finde ich es wichtig, mir meiner Geschichten bewusst zu sein und mir immer mal wieder die Frage zu stellen: Ist das, was ich da erzähle, wirklich wahr? Kann ich tatsächlich wissen, dass es wahr ist? Wenn ich diese Frage mit nein beantworten muss, dann heisst das für mich auch, dass ich diese eine Geschichte im Moment so erlebe und empfinde, dass die sich aber auch noch entwickeln und verändern kann. Sprich, ich bin mir bewusst, dass das, was ich heute erlebe und empfinde, für heute gilt – wer weiss, was Morgen sein wird? Das Blatt wird wieder schneeweiss sein – siehe Beitrag vom 12. Januar.

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