Mittwoch, 29. Juli 2015

Wie Frau Bühlmann mit Yoga und Cognac gut und gerne alt wird

Ein frischer, sonniger Morgen am See. Die Yoga-Stunde ist vorbei und damit Zeit, für mein kleines Fotoshooting mit Erika Bühlmann. Sie ist die älteste Kursteilnehmerin der Volkshochschule Spiez und besucht wöchentlich die Yoga-Stunde 50+ bei Trix Hausherr.























Nach dem Fotoshooting spazieren Erika Bühlmann und ich vom Walenrain bis zum Kronenkreisel. Hier wohnt sie. Und wenn sie diesen Spaziergang geschafft hat, dann hat sie, zusammen mit der Yoga-Stunde, ihr tägliches Soll an Bewegung erfüllt.

Sie ist sehr zufrieden, dass es ihr noch so gut geht. Sie hat so gut wie keine Beschwerden. Und als sie vor etwa einem halben Jahr so ein komisches Sturmsein erlebte, da legte sie sich auf den Boden und nahm einen kräftigen Schluck Cognac. Ja, Cognac müsse schon immer parat stehen. Ihr habe jemand zugesteckt, der erweitere die Gefässe und das sei eine gute Sache. Tja, lacht sie, Sie wissen ja, Glaube macht selig. 

















92 Jahre sind viele Jahre. Darum hat Erika Bühlmann auch viel zu erzählen. Lustige und beeindruckende Geschichten. Zum Beispiel von den 35 Jahren, in denen sie als Geschäftsfrau tätig war, zusammen mit ihrem Mann. Sie hatten ein Lebensmittelgeschäft an der Seestrasse. Als sie endlich eine gute Stammkundschaft aufgebaut hatten, eröffnete etwa 100 Meter von ihnen entfernt die Migros ihre erste Filiale in Spiez. Nein, davon war Erika Bühlmann überhaupt nicht begeistert. Aber janu! Sie und ihr Mann haben weiter gearbeitet und dann schliesslich, als er 64 und sie 62 Jahre alt waren, aufgehört. Irgendwann muss man ja einen Schlusspunkt setzen. Um schliesslich wieder von vorne anzufangen. Es war nämlich gar nicht so einfach, plötzlich zu zweit zu Hause zu sein und viel Zeit zu haben. Dadurch wurden kleine Nebensächlichkeiten auf einmal ziemlich grosse Hauptsachen und sie haben sich viel gestritten. Bis Erika eines Tages zu sich sagte: Das will ich doch gar nicht! Ich organisiere mich so, dass ich diese Streitereien bleiben lassen kann. Und fortan stand sie morgens um fünf Uhr bei einer Freundin in der Bäckerei und half tatkräftig mit. Wenn sie um elf Uhr nach Hause kam, war ihr Mann gerade aufgestanden und sie konnten den Rest des Tages zusammen geniessen.

Geniessen tut Erika Bühlmann bis heute gerne. Dass das manchmal gar nicht so einfach ist, davon kann sie ein Liedchen singen und nicht zuletzt deshalb besucht sie auch bis heute die Yoga-Stunden. "Yoga schenkt mir Zufriedenheit. Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und ich bin gelassener geworden. Ich habe mich besser kennengelernt und weiss heute, was ich mir zumuten darf und was nicht."

Wir verabschieden uns vor ihrem Haus und sie überlegt laut: Soll ich heute noch das Treppenhaus putzen? Vielleicht verschiebe ich das doch lieber auf morgen. Und ich: Habe ich das richtig verstanden? Sie putzen das ganze Treppenhaus dieses vierstöckigen Hauses noch selber? Sie: Aber sicher! Wissen Sie, es ist wichtig, dass es schön sauber ist. 


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