Die Kleine hat Augen wie ein Rösslispiel,
kugelrund und quitschvergnügt. Ihr Ausdruck verrät, dass bei ihr der Gwunder
auf diese Welt erst gerade erwacht ist. Sie ist acht Monate alt, wiegt aber
mehr, als das zweijährige Kerlchen, das neben ihr steht. Sie ist auch ein
vielfaches lauter. Sie hat einen dunklen Teint, ihr Haar ist gelockt und wie
ihre Stimme sind auch ihre Arme und ihre Beine kräftig. Das Kerlchen neben ihr
– fairer wäre wohl Kerl, immerhin ist er ein angehender Mann – ist strohblond
und zartgliedrig. Einer, der seinen Charme nur gezielt einsetzt und sich
grundsätzlich lieber bedeckt hält. Dann ist da noch einmal ein Mädchen,
dunkelblondes Haar, wunderschöne Augen, schätzungsweise in der ersten Klasse.
Daneben ein Giel, ebenfalls strohblond, er könnte der Bruder vom Geissen Peter sein und aus unerfindlichen Gründen wecken seine Augen Heimatgefühle in meiner
Brust. Er ist froh, ist die Kleine, die heute ihren Einstand in dieser Familie
aus Tageskindern und Bauersleuten gibt, kein Flüchtling, sondern halt einfach
etwas dunkler als er selber. Seine Schwester, die sagt, ihre Mami werde genau
so dunkel, wenn sie etwas länger an der Sonne bleibe, entdecke ich als Letzte.
Sie ist vom Fleck weg begeistert vom neuen Mitglied ihrer Tageselternfamilie.
Zwischen kochen, Windeln wechseln, putzen,
trösten und spielen kommt noch einmal der Flüchtling auf den Tisch. Was an
einem solchen so ungemütlich sei, will ich von Geissen Peter’s Bruder wissen.
Bei dem wisse man nie, sagt er. Man müsse damit rechnen, verhauen zu werden
oder bestohlen, deshalb möchte er mit Flüchtlingen nichts zu tun haben. Woher
er das wisse, frage ich. Darauf runzelt er die Stirn und sagt nichts.
Aufheitern tut ihn dann das Spiel mit der Kleinen. Er klettert zu ihr ins
Laufgitter und amüsiert sich prächtig. Sie freut sich über diesen so
unerwarteten Gast, der genauso gut ihr Bruder sein könnte. Wie ich die Kleine
wickle, gibt mir die Schwester vom Geissen Peter Anleitung, wie das am besten
geht. Sosoaha! Damit ich nicht beleidigt bin, erklärt sie mir, man wisse halt nie, wer was wisse und vor
allem wisse man nie, wer wirklich wickeln könne. Da muss ich ihr Recht geben, man
weiss tatsächlich ziemlich wenig.
Sind die Kinder zufrieden und versorgt, schaue
ich nach der Bäuerin. Sie liegt flach darnieder, ihr ist’s in den Rücken
geschossen. Sie muss jetzt liegen oder stehen. Sie liegt lieber. Und isst
Tabletten. Und wenn sie an den Küchentisch sitzt, fängt eine kleine Fragerunde
an. Wie’s denn lief in der Schule oder beim Kochen oder beim Quietschen, ob
alle alles haben? Sie gibt mir meine Aufträge. WC und Bad putzen, Wäsche
aufhängen, zusammenlegen, Wäsche waschen, Kühlschrank putzen, Boden aufnehmen.
U gäu, luegsch de Ching! Die sind aber schon gut aufgehoben. Die Tochter der
Bäuerin ist nämlich auch da, eine Kindertante par excellence. Aber wenn es um
die Kinder geht, arbeitet die Bäuerin nach dem Motto „Dopplet genäit het
besser“. Die Bauerstochter hat noch keine eigenen Kinder und wenn ich sie so
beobachte, dann scheint mir, dass es höchste Zeit ist dafür – sie sieht halt
einfach so aus und verhält sich so.
Der Bauer, von seiner Bäuerin „Dr Bär“
genannt, ist ein Gemütlicher, der aber, potzdonnerli, Ordnung haben will am
Tisch und überhaupt. Es wird von allem gegessen und es ist ruhig und wenn einer
erzählt, hören die anderen zu. I wott kes Gschtürm! Und wenn er, dr Bär, sich
zu Wort meldet, dann wissen alle ziemlich schnell und gut, wo der Bartli seinen
Moscht holt. Ausser vielleicht die Hunde, die sind wohl etwas schwerhörig. Die
sind nämlich auch immer und überall da, wo Beine sind und überhäufen alle mit
Sympathiebekundungen, mit dem nicht unschwer zu erkennenden Ziel, vielleicht
etwas abzubekommen von dem, was man sich in den Mund schiebt.
In diesem Gewusel von Mensch und Tier, vom
Lachen und Quietschen, vom Erzählen und Zuhören, vom Essen und Trinken, von
Blonden, Braunen und Grauhaarigen, von Fast-Flüchtlingen und Ur-Schweizern, von
Bären und Tatzen, in diesem Gewusel ist es mir wohl. Ich schwimme mit, ich
lache mit, ich esse mit – ich bin Teil des Ganzen. So selbstverständlich, dass
ich mich selber darüber wundere.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen