Lieber Gody
Du bist gegangen –
mir bleibt der Abschied. Also schreibe ich dir ein letztes Mal. Du wirst nicht
antworten, wie du sonst geantwortet hast – aber die Antwort ist schon da:
Nämlich die Gewissheit, dass das, was du mir warst, mir gezeigt und geschenkt
hast, für immer in meinem Herzen bleiben wird.
Sehr gut haben wir
uns ja nicht gekannt und dass ich immer wieder zu dir gekommen bin, mein
Interesse an dir, deinem Leben und deinen Geschichten gegenüber, das hat dich zwar
gefreut, aber auch etwas irritiert – aber ich hatte schon meine Gründe:
Du bist und warst für
mich ein ganz besonderer Mensch und das nicht nur, weil du eine wunderbare
Tochter hast, die mir so lieb und nah ist wie eine Schwester. Du bist auch darum
etwas Besonderes, weil du mir ein Stück meiner Wurzeln nah gebracht hast. Mein
Vater, ebenfalls in Adelboden aufgewachsen, hat mir offenbar die Liebe zu
diesem Dorf vererbt – mit bereits 16 Jahren verliess er Adelboden. Ich liebe dieses
Dorf seit ich denken kann. Je älter ich werde, je klarer wird mir, dass da
wirklich ein Stück Heimat für mich ist. Dein Erzählen hat das Bild von der
Heimat meines Vaters für mich bunt und lebendig gemacht und mir damit gezeigt,
woher ich eigentlich komme – und auch ein Stücklein weit, weshalb ich bin, wie
ich bin.
Wirklich
kennengelernt haben wir uns bei deiner Züglete ins Altersheim. Vorher haben wir
uns zwischendurch auch gesehen, aber eher selten und mit etwas Distanz. Als du
schliesslich so richtig im Altersheim angekommen warst und dein Zimmer im
ersten Stock eingerichtet hattest, sahen wir uns dann mehr oder weniger
regelmässig. Und da drückte dann auch der Eggetli-Pfarrer durch. Du hast dich oft
entschuldigt, dass du so viel redest und predigst, wie du das nanntest. Ich
habe deine Geschichten geliebt und liebe sie noch. Deine Kindheit im Eggetli,
die Einfachheit, in der du aufgewachsen bist. Dein Vater, der früh gestorben
ist, die Liebe zu deiner Mutter... Und dann auf einmal die Holländerin, die Gré
– potz Blitz, die hat dich ja schön aus der Fassung gebracht – wie mir schien, liessest
du dich gar nicht so ungerne aus der Fassung bringen. Und dann deine Kinder,
die Grit, der Pitsch und der Heini, die Freude an deiner Arbeit, dein Stolz auf
das, was du geschaffen hast.
Du warst sehr
zufrieden im Altersheim, du bist da auch so richtig angekommen. Du hast die
Leute geschätzt und du warst dankbar, deinen Lebensabend so verbringen zu
dürfen. Dein Compi lief immer, wenn ich kam, er war dir ein guter Kollege, der
dir das Fenster zur Welt einen Spalt weit offen hielt. Und er trug dir die
Musikwelle ins Zimmer. Anfangs liessest du die in voller Lautstärke
weiterlaufen, auch wenn wir uns kaum verstanden haben, dann stelltest du sie
leiser und am Ende stelltest du sie ab. Manchmal machten wir ein kleines Tüürli
durchs Dorf und da erinnere ich mich an die unverschämte Menge Ragusa, die du
im Coop ins Wägeli gepackt hast. Du machst aber Augen, sagtest du zu mir und
hast mich ausgelacht und gesagt, Esther, du musst eines wissen: Es ist wichtig,
dass man den Menschen, die gut zu einem sind, danke sagt und damit das
glaubwürdig ankommt, ist man mit einem Ragusa gut bedient.
Du hast mich
teilhaben lassen an deinem Leben, du hast mir durch dein Erzählen ein Stück
weit gezeigt, wer du bist – das hat mich berührt. Du warst Mensch, schlicht und
einfach Mensch – mit all seinen Facetten. Du hast JA gesagt zu diesem Menschsein.
Das fiel dir nicht leicht, du tatest es trotzdem. Darum durfte sein, was war
und deshalb war es so friedlich bei dir. Du hast dir ein warmes und
aufrichtiges Herz bewahrt, genauso wie deinen Sinn für Humor. Du zeigtest auch
deine Ungeduld und deinen Ärger, das Älterwerden hat dich manchmal ganz schön
geschlaucht.
Deine Geschichten
empfand ich wie ein Wunder. Sie zeigten mir die Vielschichtigkeit des Lebens
auf eine sehr schöne Art. Das Eine bedingt das Andere und baut darauf auf,
alles greift ineinander, ergibt sich schliesslich so, wie wir es nie hätten planen
können – das Leben ist ein Wunder, eine grosse Gnade! Damit hast du mir
gezeigt, dass wir alle aus der Liebe geboren sind und dass diese Liebe, hoch
vom Himmel her kommend und tief aus der Erde wachsend, uns alle verbindet, uns
umfängt und umarmt. Du hast mir von dem erzählt, was du geschaffen, von was du
geträumt hast, was du bereust und worauf du stolz bist – und hast mich daran
erinnert, wie stark wir sind – weil wir Kinder Gottes sind, Ebenbilder dieses
grossartigen Schöpfers. Was uns stark macht, ist die Verbundenheit mit dieser
Quelle, mit all unseren Begleiterinnen und Beschützern und mit all denen, die
ihren Weg vor uns gegangen sind.
So wie du, lieber
Gody. Du bist gegangen. In meinem Herzen bleibst du, bleibt all das, was du mit
mir geteilt hast – und dafür danke ich dir.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen