Sonntag, 28. August 2011

Zu Besuch

Daniel, ist dir aufgefallen, frage ich meinen Schatz, während wir noch am Winken sind und die Twerenbolds verabschieden, ist dir aufgefallen, hesch du das gseh? Was meinst du, fragt mein Schatz zurück. Das mit den Augen, sage ich ihm. Er hat blaue und sie braune. Er ist wohl immer irgendwo im Himmel, zwischendurch im Paradies. Oder dann klappert er den Horizont ab nach allem, was fasziniert, faszinieren könnte. Seine himmelblauen Augen verpflichten ihn dazu. Möglichkeiten entdecken. Das, was da ist, aber nicht auf den ersten Blick sichtbar, auskundschaften. Er lässt sich blenden, betäuben, betören. Von Farben, Formen und Stoffen. 





Und sie, sie steht am Boden. Geerdet – und sie lächelt. Eine Mutter Erde sozusagen. Den ganzen Tag, während er redet und sie ihn anschaut, dann mich und dann den Daniel, bin ich gwundrig auf sie. Diese Frau. Ich kenne sie nicht, nur ihren Namen. Ihre braunen Augen. Ihre Präsenz. Diese Frau ist mehr als ihr Körper, viel mehr. Wie wir alle es sind. Vielleicht sie auf eine besondere Art – bescheiden. So sehr bescheiden, dass sie ob ihrer Grösse das Messen, das Werten vergisst. Weil es nicht nötig ist, nicht relevant. Weil das Leben ist, wie es ist. So wie sie. Einfach sein. Einfach da sein. Dass es keinen Grund zur Bescheidenheit gibt, das verrät er. Er erzählt. Er gestikuliert. Er bringt sie ins Spiel. So, wie sie in seinem Leben eine Rolle spielt. Neben dem Unsichtbaren die allerwichtigste. Die, auf die er sich verlassen kann. Im Alltag und in seinen Experimenten. Auf seinen Entdeckungstouren. Wenn er sich gut fühlt, unbeschwert wie ein Clown. Wenn er sich schlecht und schwer fühlt, wie ein alter Bär.

Er lacht, er erzählt. Sie nickt, sie verdreht die Augen. Ich höre Picasso. Ich höre Delain. Er spricht von der Freiheit, die fordert und vom Glück, glücklich zu sein. Er zeigt uns seine Werkstatt, seinen Stoff, seine Bücher, seine Bilder. Verhüllt, verschleiert, aber: ihr habt ja ein gutes Vorstellungsvermögen. Oh, ja, das haben wir. Und vor meinen Augen tanzt er auf einem Seil aus Freude und Verlangen. Verlangen, das zu tun, was er glaubt, tun zu müssen. Stundenlang Röllelchen kleben. Weil sie krank ist und er nicht weiter weiss. Weil sie da ist und ihre Liebe ihn beglückt. Weil alles ist, wie es ist. Weil der eine Sohn Banker ist und der andere Informatiker. Weil sie beide ein Wunder sind, entsprungen einer Zweisamkeit, deren Geheimnis die Liebe ist.

Und die Sprache. Worte, die ihn abheben, herausheben aus Schmerzen und Grenzen, die seinen Körper ausbremsen, aber nicht seinen Geist. Seinen Geist lässt er durch nichts und niemanden ausbremsen. Wie sie ihre Liebe zu ihm durch nichts abbremsen lässt. In guten wie in schlechten Tagen. Wenn gestritten wird. Wenn die Versöhnung Einzug hält. Oder wenn Blechdosen ihre Geschichten erzählen, die alle in einem glasigen Schlossgarten enden. Und da immer wieder neu beginnen. Weil jedes Ende ein neuer Anfang schenkt.

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