Dienstag, 24. September 2013

Von schönen Kühen und stillen Menschen: Alpabzug im Suldtal

Letzten Samstag waren wir im Suldtal. Das ist dort, wo Aeschiried aufhört und wo man auf das Morgenberghorn wandert oder ins Kiental. Ein kleines Tal, malerisch, ruhig und so, dass das eigene Herz kleine Luftsprünge macht oder nur ganz still und leise in sich hinein lacht vor lauter Zufriedenheit. Hier chalberet dr Schitschtock, wie es so schön auf Berndeutsch heisst, was meint, hier wohnt das Glück. 


Also, zuerst sind wir durch das Suldtal gegangen. Kaum Leute gingen zu Fuss, deshalb waren wir fast ganz alleine unterwegs. Wir haben die frische Morgenluft genossen, das Rauschen des Baches und die herrlich warme Sonne. Hinten im Suldtal war Alpabzug, es war Märit, es hatte eine Festwirtschaft und ein Örgeliorchester. Ich ging noch nie an einen Alpabzug, ich bin schon dazu gestossen, ja. Aber extra hingehen? Ja, darauf hatte ich für einmal Lust. 


Kaum waren wir angekommen gab's eine Chäässchnitte, die ihrem Namen alle Ehre machte. Herrlich! Dieser Bergkäse oder Alpkäse oder wie sie ihn nennen isch cheibe würzig! Dazu einen Schluck suure Moscht und das Örgeliorchester. Nun gut, diese Musik ist gewöhnungsbedürftig. An sich mag ich das Handörgeli, am liebsten einfach ein bisschen aufgepeppt, wie die Hujässler es spielen. Aber auch das ist nicht jedermanns Sache und so in einem Suldtal beglückt wahrscheinlich das Örgelorchester von Aeschi mehr Leute, als die Hujässler es täten. Enusodesigseso!


Ich war natürlich nicht alleine da, sondern mit Mona und Daniel. Mona erlebte unzählige Glücksmomente, die sich darin zeigten, dass sie rum gehüpft ist wie ein Gumpibälleli und natürlich am liebsten jedermann herzlich begrüsst hätte. Das ging uns zu weit, wir haben sie gschtallet, also setzte sie sich anständig hin und wartet gespannt auf die Alpabzügler.


Als von weitem die Glocken zu hören waren, gab's eine grosse Aufregung bei den vielen Leuten, die extra hergekommen waren und alle reihten sich auf, zückten ihre Fotoapparätli oder Telefönli und knipsten fleissig. Vorab kamen die Kinder, hübsch gekleidet, scheu lächeln - so richtig herzerwärmend. 







Wir haben uns diesem Tross angeschlossen und mit uns eine Menge anderer Leute und sind nach Aeschiried marschiert. Und je länger wir marschierten, begleitet vom lauten Glockengeläut der Kühe, umso mehr kam mir dieser Alpabzug vor wie eine Prozession. Um mich und in mir wurde es stiller und stiller, bis schliesslich der Klang der Glocken alles einhüllte in ein - ja, schon fast ehrfürchtiges Schweigen. Dieses gemeinsame Gehen, der feste Boden unter den Füssen, die Wärme der Sonne, das Muhen und Trotten der Kühe, die frische Bergluft, leicht geschwängert vom frischen Kuhmist... ja, das hat etwas!  

Mittwoch, 21. August 2013

Von allerlei Gemüse...

Es ist schon ganz anders, dieses Jahr. Zum zweiten Mal tun wir gärtelen und ich muss sagen: Das erste Jahr hat uns viel Glück gebracht und Garten, Obstbäume und Blumentöpflein rund ums Haus haben geblüht und gedeiht, nid zum säge!

Dieses Jahr sieht’s anders aus: Die Graniumchischtli wollen nicht so recht, ich fürchte, die Blümlein leiden unter einer Dauermigräne – so schauen sie jedenfalls in die Welt. Und im Garten kam lange Zeit nichts und dann doch. Die Auberginen und die Gurken haben sich früh verabschiedet, denen war’s zu kalt. Dafür wachsen jetzt der Mais und der Blauchabis und die Tomaten. Die zwar nie in dem Ausmass, wie letztes Jahr, aber sie wuchern fröhlich, wachsen fleissig und werden rot und röter. Und der Randen ist grad in der Pfanne, ömel die Hälfte davon. Zucchetti habe ich schon eingefroren, das gibt im Winter dann wieder das herrliche Ammerzwiler-Zucchetti-Süpplein – nach einem Geheimrezept aus dem Seeland. Da steckt viel Liebe drin, drum schmeckt das so verruckt gut.


Die Obstbäume aber, die streiken. Ein paar Säcklein getrocknete Öpfelschnitzli liegen im Chuchichäschtli und drei Glesli Öpfelmus im Keller und das war’s. Letztes Jahr haben wir immerhin fast 60 Liter Most gehabt von unseren Öpfeln. Dieses Jahr machen die Bäume wahrscheinlich Pause. Im Hingerschtübli denkt es schon, die fule Sieche, die! Aber theoretisch finde ich das absolut in Ordnung, ich bin ja grundsätzlich immer für eine Pause – das cheibe Jufle het no nie öppis bracht.

Die Bohnen habe ich hingegen gerade wieder gelesen und die sind zum Glück viel kleiner als vor einem Jahr. Damals waren die so gross wie Bananen, ich fühlte mich furchtbar bedrängt von diesen grossen Dingern, die sich wie Schitterbigen in meiner Küche türmten. Jetzt haben sie eine anständige Grösse, tun nicht mehr so sperrig und lassen sich viel besser verarbeiten.


Das Einmachen ist schon etwas Schönes. Vor allem, wenn man morgens angestrengt und konzentriert vor dem Compi gesessen hat, ist es wohltuend, nachmittags in der Küche zu stehen, die Kochtöpfe zu beaufsichtigen, dem Gemüse gut zu zureden und es mit Freude zu verarbeiten. Dabei denke ich immer wieder: Sapperlot, dieses Ding, das ich da jetzt zwischen den Händen halte, das war vor kurzem noch gar nirgends, es existierte nicht. Jetzt ist es geworden, gewachsen und voll im Saft und ich darf es geniessen. Ein kleines Wunder!

Ja, das Landleben tut gut. Wenn schon nur eine Bohne, eine Rande, ein Blauchabis – frisch aus dem Garten – einzigartig sind, dann muss es auch das Leben sein und überhaupt alles, was lebt. Und wie wir Menschen, hat auch die Natur ihre Launen. Und die Tiere. Hund und Hühner wollen nicht so recht nach meiner Pfeife tanzen und ich tanze nicht nach ihrer. Auch nicht nach der des Mannes, der mit mir dieses Leben geniesst. So gibt es hin und wieder Chritz und das tut gar nicht so ungut. Man rauft sich dabei zusammen, rütscht immer etwas näher zämen und möchte einander, je länger, je weniger missen. 

Donnerstag, 8. August 2013

Ida und Fritz



Fritz nicht ohne Ida
und Ida nicht ohne Fritz
ausser
ein Brief will in den Briefkasten
das übernimmt Ida
allein
Ida und Fritz
sind zusammen
immer zu Zweit unterwegs
nicht weil sie nicht alleine könnten
sondern
weil es so schön ist zu Zweit
zu Zweit auf dem Poschi
zu Zweit am Spazieren
zu Zweit zum Arzt
zu Zweit zum Einkaufen
zu Zweit vor dem Fernseher
Hand in Hand oder
Arm in Arm
ohne Aufhebens
einfach halt
eben
weil es so schön ist zu Zweit
-
und eines Tages
ist Ida
allein
ohne Fritz
und etwas
in mir drin
tut weh

Donnerstag, 20. Juni 2013

Sie ist und sie wächst

Unsere kleine Mona ist nicht mehr ganz so klein, wie sie auch schon war. Sie wächst und wächst. Offenbar bekommt ihr die Krattiger-Luft, unsere Kost und unsere Liebe gut.
Mittlerweile steckt sie in den „Flegeljahren“. Sie weiss ganz gut, was sie will und was nicht und das tut sie lauthals kund.

Sie beisst zum Beispiel herzhaft gerne zu. Hier ins rote Tüchlein, oft genug in meine Finger. Wir hingegen wissen nicht immer so genau, was wir mit ihr wollen oder sollen. Nicht, dass wir zu wenige Erziehungstipps bekämen, nein, die gibt’s zu Hauf. Zum Teil sind sie ziemlich irritierend und natürlich völlig gegensätzlich. Also geht es wohl darum, das zu tun, was wir für richtig halten. Nur was soll man als Erst-Hundehalter für richtig halten? Dass sie immer schönt tut und macht, was wir sagen? Da hätten wir aber gescheiter bei Franz Carl Weber unser Hündchen gekauft, da gibt’s die mit Motor. Die sind gar nicht so schlecht, die kann man nämlich abschalten und in eine Ecke stellen.

Aber gerade dass sie ist, wie sie ist, dass sie Charakter hat und ein eigenständiges Wesen ist, das macht Mona aus. Und so jung sie auch ist, ich bin beeindruckt, wie sie sich behauptet, wie sie Unbekanntem begegnet und wie sie ihren Platz in dieser Welt einnimmt.


Ich hab' sie mittlerweile ganz fest in mein Herz geschlossen. Wo wir gemeinsam hin wollen, das weiss ich nicht. Wir sind jetzt einfach mal, das reicht für den Moment. Und Mona wächst und ich auf meine Weise auch. Mehr braucht es nicht. Im Moment sowieso nicht, sie schläft nämlich gerade. Wenn sie dann aufwacht, gehen wir ein Brünzli machen und dann schauen wir weiter. Noch ein bisschen spielen und später eine kleine Runde ums Haus. Dann ist auch wieder Abend und es gibt Znacht, anschliessend folgt die übliche wilde Stunde. Das ist Energie und Spielfreude pur. Wichtig ist einfach, darauf zu achten, dass man sämtliche Finger behalten kann und sich keine zu groben Kratzer holt - ist durchaus zu schaffen, braucht einfach schon ein bisschen Aufmerksamkeit. Wenn sie dann obenaben gekommen ist, ist sie wie ein Lämmlein, zart und fein und furchtbar müde, streckt alle Vieren von sich und will nur noch geknuddelt werden. Dann folgt der Gute-Nacht-Drücker und dann wird geschlafen. Ja, so ist das.  

Freitag, 19. April 2013

Die kleine Mona


Jetzt ist sie schon sieben Tage bei uns, die kleine Mona. Nächsten Dienstag wird sie zehn Wochen alt sein. Sie marschiert in ihrem zarten Alter sehr  selbstverständlich durch die Welt, das ist wunderbar mit anzusehen. Sie ist gwundrig, geht immer vom Besten aller Fälle aus und ist überzeugt, dass die Welt ein riesiger Spielplatz ist.

Wir waren gespannt auf sie, etwas aufgeregt und ungläubig: Dass wir unsere Lebensgemeinschaft um ein Hundebaby erweitern, überrascht uns bis heute. Ich für mich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass die besten Entscheidungen die sind, die ich nie getroffen habe, sondern die eines Tages einfach klar waren. 

Wir sind also zuversichtlich Richtung Luzern gefahren zu Frau Meier. Sie ist eine Bauersfrau, keine Züchterin. Die sieben Welpen hat es ihr im Winter mehr oder weniger ins Haus geschneit, war doch ihre Hündin, die Lili, erst neun Monate alt, als der Nachbarshund sie schwängerte. Das wollte Frau Meier unbedingt verhindern, aber sie hantierte wohl gerade in der Küche, als der Appenzeller die zarte Lili beglückte. Frau Meier backt nämlich gerne, erst Recht seitdem ihre Küche so wunderbar modern geworden ist.

Nach einer kurvenreichen Heimfahrt, auf der die Mona fünfmal gekötzelt hat, sind wir Zuhause angekommen. Wir erledigt, Mona topfit. Kaum dass die Kleine ihre Pfoten auf unseren Boden setzte, schien sie hier auch schon Zuhause zu sein. Sie hat sich in ihr Schlafplätzchen gekuschelt, als wäre es schon immer ihres gewesen. Tja, was will man dazu sagen? Man lächelt. Und freut sich darüber, dass dieses Plätzchen Erde genau das richtige ist für die kleine Mona. 

Natürlich haben wir uns auf unseren Familienzuwachs vorbereitet. Wir haben Futter gekauft, einen Futternapf, Spielsächelchen, Gudelis, ein Halsband, eine Leine, ein Körbli mit Kissen… und selbstverständlich haben wir den Hunde-Theoriekurs besucht. Aber im Grunde geht es ja dann um viel mehr, um die Einstellung, den Umgang mit diesem kleinen Wildfang. Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Man kann sich ausmalen, wie es werden könnte, aber man weiss nicht, wie es sein wird. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich… es ist müssig, darüber nach zu denken und ich bin froh, dass ich nicht wusste, was die Kleine wirklich mit uns anstellt, bzw. was sie durch ihr Verhalten bei uns bewirkt. Davon ein anderes Mal mehr.

Ich habe übrigens gerade einen interessanten Tipp von Edward Hoagland gelesen: Freude an einem Hund haben Sie erst, wenn Sie nicht versuchen, aus ihm einen halben Menschen zu machen. Ziehen sie stattdessen doch einmal die Möglichkeit in Betracht, selbst zu einem halben Hund zu werden. Hmh, das hatte ich bis jetzt wirklich nicht vor... mau luege! ;-)

Donnerstag, 11. April 2013

Hühnerliebe

Es fing alles eigentlich ziemlich deprimierend an: Hühner habe ich nie wirklich beachtet – ich liebte ihr Fleisch, das allerdings sehr entschieden. In unserer Familie, in der wir zu Siebt um den Tisch sassen und ich die Kleinste war, blieb für mich natürlich auch immer ein entsprechend kleines Hühnerteilchen übrig, vielleicht ein Flügeli und dazu ein Stücklein von der Brust. Das habe ich unendlich genossen, selbst die Knochen fast aufgegessen, hätte mich meine fürsorgliche Mutter nicht davon abgehalten. 

Diese Hühnerfleischliebe begann sich leicht einzuschränken, sich zwischendurch gar ins Gegenteil kehren zu wollen, als ich in der siebten Klasse war und mein Schulweg neben einem Hühnerhof durchging. Diese Hühner fand ich dermassen doof und eklig, dass ich in ein Dilemma kam: Mein Lieblingsfleisch war doch Hühnerfleisch, warum nur mussten diese Viecher so abstossend sein? Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich zu jener Zeit die Hühnchen, die meine Mutter in regelmässiger Unregelmässigkeit zubereitete, genossen oder heruntergewürgt habe. Nach meiner Schulzeit, als ich ins Welschland ging und schliesslich die Ausbildung zur Buchhändlerin absolvierte, begegnete ich selten Hühnern und wenn, dann auf meinem Teller. Dort mochte ich sie, wie eh und je.

Als wir nach Krattigen zügelten und ich den Hühnerstall entdeckte, blieben meine Emotionen neutral. Hühner sind Hühner sind Hühner sind Hühner – Punkt. Aber immerhin: Für diesen Hühnerstall bezahlen wir ja Miete, so wie für unser Wohnzimmer, die Küche und unser Scheiss- und Badehäuschen. Ja, was nun? Einfach ungenutzt lassen? Sozusagen die Miete zum Fenster rausschmeissen? Geits no, sicher nid – äuädescho! Es mussten Hühner her. Wir wohnten bereits ein halbes Jahr in Krattigen, also hatte die ländliche Umgebung das Ihrige dazu beigetraten, dass ich ganz allgemein etwas offener wurde für das, was das Landleben eben so mit sich bringt. Hühner zum Beispiel. Wir telefonierten mit Belp und wir fuhren nach Belp. Dort holten wir auf einer Hühnerfarm – Gott behüte! – unsere drei Hühner ab. Mein Schatz hat eine grosse Kartonkiste recht hühnerwohnlich eingerichtet (damit fing’s wohl an) – der Hühnerspezialist staunte und grinste – wir luden drei Stück ein und fuhren heimwärts.



Auf der ganzen Heimfahrt haben wir uns auf das leise Gegacker eingelassen, auf die drei Kleinen eingeredet und sie schliesslich mit zaghaftem Brimborium in ihren neuen alten Hühnerstall gesteckt. Sehr schnell stand für uns fest, dass unsere neuen Familienmitglieder Namen haben müssten, ein Türschild auch, damit dem ganzen Quartier klar war: Die Stuelegg wurde um drei Mitglieder erweitert!

Seither – weiss der Herr, welches Güegi mich gestochen hat – ist meine Hühnerliebe stetig und unaufhaltsam gewachsen. Diese Modis, ich kann sie tatsächlich problemlos unterscheiden, sind grandios. Sie haben alle einen tadellosen Charakter, der zwischendurch von hemmungsloser Gier, eleganter Arroganz oder absolut mieser Laune etwas ins Wanken gerät. Allerdings muss ich gestehen, dass es gerade diese Eigenschaften sind, die ich so wunderbar und herrlich finde. Was soll’s? Auch in meinem Leben gibt es Würmer, die ich unbedingt schnappen muss, koste es, was es wolle. Und auch ich würde, könnte ich es nicht selbstbestimmt tun, meine täglichen Spaziergänge lauthals einfordern. Und wäre ich schon mal eingeladen auf eine kleine Hausbesichtigung der Leute, bei denen ich wohne, ich weiss ich, ob ich es tatsächlich bleiben lassen könnte, in dieser – im Vergleich zum Hühnerstall – doch sehr gut geputzten Wohnung, mein kleines Scheisserchen fallen zu lassen.


Dienstag, 9. April 2013

Von Zürich, der Nummer 49 und unseren Landesvätern



Am 6. April 2013 reisten wir, ein paar Spiezerinnen und Spiezer, nach Zürich. Allesamt waren wir gwundrig auf das, was Zürich für uns parat haben würde. Und Zürich liess sich nicht lumpen. Natürlich hatten wir ein Programm, trotzdem: Zürich trumpfte auf! So, wie es sich für Zürich gehört. Zuerst mit einem Besuch bei Franz Hohler. Er holte uns, mit schwarzem Peret und braunem Jacket, im Bahnhof Oerlikon ab. Gemeinsam spazierten wir zu seinem Haus, einem wunderschönen Altbau, die Nummer 49 einer Strasse, deren Namen ich nicht kenne. Wer zu Franz Hohler geht, der interessiert sich auch nicht für den Namen der Strasse, an der er wohnt, sondern vielmehr, wie er wohnt. Das Haus ist, wie erwähnt, ein altes aus Backsteinen. Mit schönen Balkons und Türmchen und einem steilen Dach. Ganz oben, das zeigte uns Franz Hohler, als wir vor dem Haus standen, hat er seine Schreibstube. Da drin hätten wir alle, 31 an der Zahl, unmöglich Platz gefunden und deshalb waren wir eingeladen, im Erdgeschoss in einer Art Keller, Platz zu nehmen. Ich wäre natürlich gerne in seine Wohnung gegangen, denn wie ein Schriftsteller lebt, das interessiert mich natürlich. Obschon ich sagen muss, dass ich es grundsätzlich interessant finde, wie ein Mensch lebt, sei er nun Schriftsteller oder Zimmermann. Der Keller ist ein ziemlich quadratischer Raum, in dem es 31 Stühle hatte und einen Teil eines alten Klaviers. Seine Grosskinder würden gerne an den Seiten zupfen, deshalb habe er diesen Teil behalten, erzählte Franz Hohler und indem er es ihnen gleich tat, eröffnete er unsere gemeinsame Zeit. Er las ein paar Texte und wurde anschliessend von Bernhard Hauck, Philosoph und Präsident der VHSN, befragt. Wie es damals war, als sich Franz Hohler entschlossen habe, voll aufs Schreiben zu setzen. Woher er seine Ideen habe und was seine Wünsche wären, wenn er drei frei hätte. Seine Antworten haben mir gefallen. Es sei kein Entschluss gewesen, aufs Schreiben zu setzen, sondern ein Versuch. Die Ideen lägen in der Luft, im Alltag, in seinen Träumen – überall! Und seine Wünsche? Dass es ihm und seinen Lieben gut gehe, dass sie gesund und glücklich seien. Dabei zitierte er immer wieder Texte, sang sogar sein Chäslied vor, erzählte die Geschichte von der Made und als ein Handy klingelte nutzte er diesen Anlass, um eine passende Kurzgeschichte vorzulesen.



Natürlich waren die zwei Stunden im Hui vorbei und wir kehrten, glücklich, zufrieden und gut bestückt mit Franz-Hohler-Literatur, zurück in die Stadt.

Das Abendessen genossen wir im Restaurant Reithalle, einer wunderschönen Beiz, die ein herrliches Ambiente und beste Kost bietet.

A
uf dem Abendprogramm standen Tinu Heiniger, Max Lässer und das Überlandorchester. Unplugged im ewz-Unterwerk Selnau. Tinu könnte ich stundenlang zuhören, seine Geschichten und Lieder sind Herzwärmer für mich, die in mir auf angenehme Art Heimatgefühle wecken und die mich zuversichtlich stimmen. Nicht, weil Tinu das Blaue vom Himmel singt, sondern weil er ehrlich ist und von der Sonne und vom Regen des Lebens erzählt. Natürlich war auch Max Lässer und sein Überlandorchester eine Freude. Die Energie, die von dieser Band ausging, hat mich beeindruckt. Vor allem weil diese Männer – jedenfalls der Handörgeler, der ja ziemlich prominent auf der Bühne sitzt - seelenruhig fetzige Lieder spielen.

Am Sonntagmorgen gab’s bei niedrigen Temperaturen und einer heftigen Biese einen Stadtrundgang mit Anekdoten und Geschichtlichem: Von Pestalozzi, der nicht mit Geld umgehen konnte, über Escher, der zur Finanzierung des Gotthards die Kreditanstalt gründete über die Maienkäferplage, bei der die ganze Bevölkerung zur Mithilfe aufgefordert wurde bis hin zu Casanova, der auch nach dreistündiger Beichte und gelobter Besserung nicht von Frauenzimmern lassen konnte über äusserst amüsante Lamentos darüber, weshalb Frauen unmöglich Fahrradfahren dürfen, geschweige denn Medizin studieren, weil damit die ganze Menschheit in Gefahr gebracht würde… Ja, die Zürcher! Sind gar nicht so weit weg von uns Bernern.


Und was ist mein Fazit aus dieser Kulturreise? Dass Zürich immer eine Reise wert ist; dass wir in Franz Hohler und Tinu Heiniger wunderbare „Landesväter“ haben und dass es gut tut, zwischendurch etwas andere Luft zu schnuppern, damit den Horizont zu erweitern, um schliesslich festzustellen: Im Kern sind wir Menschen Menschen. Allesamt aus Sternenstaub und enger miteinander verbunden, als uns manchmal lieb ist.



Sonntag, 24. März 2013

Tulpenglück

  







Das ist mein Tulpenglück.

Seit einer Woche stehen die auf meinem Küchentisch,
still und leise, trinken ab und an ein paar Tropfen
und beglücken mein Herz.
Tolle Mitbewohnerinnen!
Die erwarten nichts, die sind einfach - 
scheinen alles in dieses Sein, hier und jetzt, zu investieren.
Fragen nicht nach dem Sinn ihrer Existenz,
nicht nach dem Woher und nicht nach dem Wohin.
Das tun Blumen grundsätzlich nicht.
Und das ist natürlich bei uns Menschen schon eine etwas andere Sache.
Wir sind ja nicht "einfach ein Blümchen", dass da irgendwann
mal so ein bisschen blüht und dann verwelkt und fertig.
 Ja, bei uns dauert diese ganze Prozedur etwas länger. 
Deshalb haben wir auch mehr Zeit.
Zeit, um viele beeindruckende Geschichten über unser Leben
zu erfinden, zu erleben oder zu meinen, sie zu leben...

Wie auch immer: Vor ein paar Tagen war Frühlingsanfang. Tagundnachtgleiche.
Der Winter ist vorbei - hurra, wir leben noch!
In der Natur hat das Wachsen schon längst angefangen,
ganz tief in der Erde drin. Und die wird wieder alles geben, was sie hat.
So, als gäbe es nichts, ausser diesem kommenden Frühling.
Das liebe ich an der Natur: Dass sie so grosszügig ist, 
alles verschenkt an das Leben und den Moment.
Das scheint mir eine gute Strategie zu sein.
Umso mehr, als dass mir wesentlich mehr Tage geschenkt sind als meinen Tulpen auf dem Küchentisch.


Mittwoch, 16. Januar 2013

Erste Versuche als Strickerin


Heute strickt alles, was Rang und Namen hat. Ich mit meinem Rang (Haushälterin, Werklerin, Schreiberin und Hühnerhirtin) und meinem Sternen-Namen will da natürlich nicht hinter her hinken.
Das tu' ich zwar eh, denn das Stricken erlebt ja schon seit einiger Zeit eine Renaissance. Nicht so richtig geplant habe ich damit angefangen, ich hätte mir die Strickerei schlicht nicht zugetraut - Erinnerungen an das Fröilein Kummer mit seinen tiefen Stirnfalten beim Anblick meiner Lismete und das tiefe Seufzen, gepaart mit einem Zeitlupen-Kopfschütteln, sitzen tief. Aber eben: Die Schweizer Landliebe, das anmächelige Heftli über das Landleben, das enthält auch Strickmuster. Ganz einfach sah sie aus, die Jacke, ansonsten wäre es mir auch nicht in den Sinn gekommen, dieses Teil stricken zu wollen. Anfangs sah meine Lismete auch nicht sehr verheissungsvoll aus, ziemlich unförmig. Es ist gar nicht so einfach, regelmässig zu stricken und die Strickanleitung auch richtig zu lesen, geschweige denn zu verstehen. 


In der Zwischenzeit habe ich von den anfänglichen 20 Chlungele nur noch eine. Meine Jacke, die eindeutig ein Mantel geworden ist - die cheibe Strickaaleitig, die schtimmt haut nid würklech - lege ich am liebsten wie eine beschauliche Hügelkette auf unser Sofa. So sieht der Mantel nämlich am Schönsten aus und vor allem irgendwie eindrücklich: Wasss? Dä Bärg hani tatsächlech glismet? 


Ich habe schon auch ein bisschen geschnurpft, aber das gehört dazu. Es sind immerhin 30 Jahre her - ja, das kann man halt mit bald 45 so schreiben - seitdem ich meine letzte Lismete in Händen hielt - und diese dem Fröilein Kummer zeigen musste. Jetzt gibt es kein Fröilein Kummer mehr, dafür viel Chai, denn der ist wichtig beim Lismen.


Der fördert den Durchhaltewillen (Gring ache u lisme), die Zuversicht (momou, das git scho öppis druus) und die Freude (bei 17 Grad in der Stube tut einem so eine riesige Lismete erfreulich gut wärmen).

Zeigen tu' ich dann meinen Mantel zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Wenn ich mich mit meiner Schnurpferei versöhnt und ihn lieb gewonnen habe - ich liebe nämlich (fast) alles, das warm gibt.

Dienstag, 15. Januar 2013

Vom Loslassen

Immer ist das, was geschieht,
das Beste, das geschehen kann.
Byron Katie

Eine provokative Aussage. Sie fordert mich auf, meine Vorstellungen, wie etwas sein sollte, auf den Kopf zu stellen - oder besser noch: ganz los zu lassen.

Der folgende Text ist von Reverend Safire Rose,
frei übersetzt von mir:


Sie lässt los.
Ohne ein Gedanke oder ein Wort. 
Sie lässt die Angst. Sie lässt das Urteilen. Sie lässt die unzähligen Meinungen in und um ihren Kopf. Sie lässt die Unentschlossenheit in sich. Sie lässt all die "richtigen und wichtigen" Gründe. Sie lässt los, voll und ganz, ohne Zögern und Sorge.

Sie fragt niemanden um Rat. Sie liest nicht in den heiligen Schriften, nimmt kein Buch zur Hand, das ihr erklärt, wie man loslässt. Sie lässt einfach los. Sie lässt die Erinnerungen, die sie immer wieder ausbremsen. Sie lässt die Angst, die sie im Vorwärtsgehen zurückhält. Sie lässt das Planen und alle Berechnungen darüber, was wann zu tun richtig wäre.

Sie verspricht nicht, loszulassen. Sie führt nicht Buch darüber. Sie schreibt nichts auf dazu. Sie macht keine öffentliche Ankündigung. Sie checkt keinen Wetterbericht, wählt nicht bewusst Zeit und Stunde, liest kein Horoskop. Sie tut es einfach.

Sie analysiert nicht, ob sie loslassen will oder soll. Sie bespricht das Loslassen nicht mit ihren Freunden. Sie macht kein grossartiges spirituelles Ritual, sie spricht kein Gebet. Sie sagt kein Wort. Sie lässt einfach los.

Niemand ist da in dem Moment, in dem sie loslässt. Es gibt keinen Beifall, keine Glückwünsche. Niemand dankt ihr, niemand lobt sie. Niemand bemerkt etwas. Wie ein Blatt, das von einem Baum fällt, still und leise, lässt sie los.

Sonntag, 13. Januar 2013

Phantasievolle Geschichten - nüchterne Fragen



Ich bin, was ich über mich erzähle - unter diesem Titel ist in der NZZ am Sonntag ein lesenswerter Artikel erschienen. Dan McAdams sagt, dass wir unsere Identität erschaffen, indem wir Geschichten über uns erzählen. Diese Geschichten haben noch einen weiteren Sinn und zwar den, uns zu erlösen. Zum Beispiel von Erlebnissen, die wir nicht einordnen oder erklären können. Eine Geschichte hilft uns, Erlebtes zu verstehen. Vielleicht auch dabei, dem Erlebten etwas Positives abzugewinnen. Aber nicht nur um Unverständliches weben wir Geschichten, wir kreieren um alles eine Geschichte. Wir erklären uns damit, verknüpfen unser Leben zu einem Ganzen. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Nämlich das, unser Leben im Griff zu haben und zu verstehen, wieso wir Dieses und Jenes erleben und tun.

Ob unsere Geschichten wahr sind, kann nichts und niemand beweisen. Das heisst, wenn ich jemandem erzähle, dass ich vor gut einem Jahr nach Krattigen gezügelt bin und jetzt in einem alten, einfachen Haus lebe, dann ist das eine Tatsache. Ich kann diese Tatsache ausschmücken, eben eine Geschichte drum rum spinnen, die sämtliche Wiesos und Weshalbs enthält. Wie viel dieses Erzählte, das ich neben der Tatsache gerne zum Besten gebe – reine Fakten können so langweilig und unspektakulär sein – mit der Realität zu tun hat, sei dahin gestellt. Damit will ich nicht sagen, dass ich das Blaue vom Himmel herunter lüge, nein. Ich erzähle in diesen Geschichten das, was ich für wahr halte, was auch meiner momentanen Sicht der Realität entspricht. Es kann aber ganz gut sein, dass ich ein Jahr später über diese eine Tatsache meines Lebens eine ganz andere Geschichte erzähle.

Für mich ist es wichtig, mir dessen bewusst zu sein. Weil ich eh immer wieder auf der Suche nach der Wahrheit bin. Was ist wirklich wahr? Wie vieles könnte ich einfach weglassen, weil es kaum etwas mit der Realität zu tun hat, sondern schlicht und einfach eine Idee oder Interpretation ist?

Ich bin überzeugt, dass das Leben an sich sehr einfach ist. Wir sind es, die es kompliziert, komplex oder phantasievoll, magisch, beeindruckend… machen. Das ist auch in Ordnung, denn das kann ja sehr beglückend sein. Aber es kann unser Leben eben auch schwerfällig und anstrengend machen. Deshalb finde ich es wichtig, mir meiner Geschichten bewusst zu sein und mir immer mal wieder die Frage zu stellen: Ist das, was ich da erzähle, wirklich wahr? Kann ich tatsächlich wissen, dass es wahr ist? Wenn ich diese Frage mit nein beantworten muss, dann heisst das für mich auch, dass ich diese eine Geschichte im Moment so erlebe und empfinde, dass die sich aber auch noch entwickeln und verändern kann. Sprich, ich bin mir bewusst, dass das, was ich heute erlebe und empfinde, für heute gilt – wer weiss, was Morgen sein wird? Das Blatt wird wieder schneeweiss sein – siehe Beitrag vom 12. Januar.

Samstag, 12. Januar 2013

Schneeweiss


Heute ist es wieder schneeweiss bei uns, herrlich! 
Gleich wird die Sonne über das Morgenberghorn klettern und dann blendet sie mich ins Gesicht, herrlich! Und im Moment ist es hier so ziemlich mucksmäuschenstill – auch herrlich!

Das Leben ist herrlich. Hier und jetzt. 
Schlage ich die Zeitung auf, lese ich die Nachrichten von nah und fern, frage ich mich, wie ich dazu komme, diesen Moment als herrlich und mein Leben, je länger je mehr, als sehr gut und wunderbar zu empfinden. 
Gleichzeitig stellt sich mir die Frage, was es der Welt und mir bringt, wenn ich mich hier gräme, wenn ich mich niederdrücken lasse von Nachrichten, die alles andere als friedlich und freudig sind. Es bringt niemandem etwas. Es sei denn, ich fühle mich aufgefordert, aufzustehen und für eine Sache einzustehen. In ein bestimmtes Land zu reisen, dort mit anzupacken, Hilfe zu leisten. Oder hier eine Spendenaktion zu lancieren oder… 

Wenn ich mich nicht aufgefordert fühle, so etwas zu tun, dann achte ich darauf, dass ich im Hier und Jetzt in Frieden lebe. Dass ich die Verantwortung für mein Leben übernehme und das tue, was mir auf dem Herzen liegt. Dass ich achtsam bin im Umgang mit mir und meinen Mitmenschen. Mehr kann ich nicht tun. Aber das kann ich tun und das ist mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Wenn das jeder tut, wenn jeder den eigenen kleinen Krieg gegen sich und die eigene Welt aufgibt und anfängt, das zu lieben, was ist, dann sind wir dem Weltfrieden ein grosses Stück näher.

Schneeweiss liegt das Morgenberghorn vor mir. 
Schneeweiss ist auch das Blatt, das am Anfang eines jeden Tages 
vor mir liegt. 
Wie ich es beschreibe, bemale, verziere, beklebe, das liegt an mir.


Montag, 7. Januar 2013

Fliegen und Stampfen...




ich fliege
ich tanze
ich stehe
ich stampfe

ich atme

bin
laut
und leise
wild
und scheu

lache
in die Tränen
seufze
in die Freude

schliesse
die Augen
öffne
mein Herz

ich bin