Donnerstag, 1. September 2011

Mein Ring



Mach doch eifach öppis druus, sage ich und überreiche ihr dabei ein Hämpfeli Schmuck. Isch guet, sagt sie und packt mit einem Lächeln meine alten Ringe ein, die ich schon lange nicht mehr trage. Ich sage ihr nicht, wie mein neuer Ring aussehen sollte, das überlasse ich ihr.

Es vergehen ein paar Wochen und dann auf einmal eine SMS, du, dein Ring ist fertig, gö mir ga Käfele. Klar gehen wir und ich bin gespannt wie ein Pfeilbogen. Nimmt mich ja Wunder, was sie mir für einen Ring gegoldschmiedet hat, hoffentlich gefällt er mir. Ja genau, was mache ich, wenn er mir nicht gefällt? Sapperlot, was mach‘ ich dann? Ich kann einer Künstlerin doch nicht ins Gesicht sagen, ihr Werk gefalle mir nicht, das wäre stillos. Hätte ich ihr nicht doch gescheiter klar gesagt, was ich mir unter einem schönen Ring vorstelle? Nein! Sie kennt mich, sie weiss so einiges von mir. Und ich weiss, dass sie intuitiv arbeitet, also bin ich furchtbar gwundrig, wie dieser Ring aussieht, den sie in dieser Art für mich kreiert hat. Mich überraschen zu lassen, gehört zu meiner Lebensphilosophie. Das Leben richtet sich eh nicht nach meinen Vorstellungen, also lasse ich mich auf das ein, was mir das Leben bietet. Es ist immer mehr, grösser und besser als das, was ich mir vorstelle – natürlich unter der Bedingung, dass ich mich auch voll und ganz darauf einlasse. Während ich mit dem Zug von Spiez nach Thun fahre, rotieren meine Gedanken wie der Motor eines Düsenjets. Bei meinem Spaziergang vom Bahnhof ins Kafi wird es still und zwar aus einem einfachen Grund: Ich werde jetzt dann gleich meinen Ring entgegennehmen und er wird sein, wie er ist. Es bringt nichts, ihn in Gedanken jetzt noch formen zu wollen und mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten.

Ein paar Minuten später sitzen wir uns gegenüber, sie öffnet ihr kleines Freitagstäschli und nimmt ein schmuckes schwarzes Schachteli hervor und legt es vor mich hin. Ich bestaune zuerst das Schachteli ausgiebig, erhöhe damit die Spannung auf den Ring. Sapperlot, was mache ich, wenn er mir nicht gefällt? Dann öffne ich das Truckli und dann liegt er da. Silbrig und goldig, eckig und kantig. Ich nehme ihn in die Hand, entdecke einen Stern, einen Fisch, eine Lebensblume, eine Spirale, Symbole, die für mich im Moment ganz wichtig sind. Das berührt mich. Ich stecke den Ring an meinen Finger, drehe und wende meine Hand und staune. Der Ring ist wunderschön. Er erzählt mir ganz vieles über mich und stellt mein Leben als Schmuckstück dar. Ein Schmuckstück, wunderschön und perfekt.

Ich nehme den Ring mit, er begleitet mich in meinem Alltag. Er ist kantig und darum pieckst er mich hin und wieder. Und erinnert mich dabei an das, was mir wichtig ist. Die Lebensblume zum Beispiel. Sie ist aus Gold, der Rest des Rings ist silbrig. In ihrem vorherigen Leben war die Lebensblume mein Ehering. Aus meiner Ehe wurde nicht das, was ich mir erhoffte. Ich bin nicht in dieser Enttäuschung stecken geblieben, ich bin weiter gegangen. Etwas Neues ist gewachsen. Nicht das, was ich mir ursprünglich wünschte. Das, was heute da ist, ist unvergleichlich mit dem, was war – es steckt viel Liebe und Freude drin. Die Lebensblume erinnert mich jeden Tag daran, dass ich mich überraschen lassen darf von dem, was ich kreiere und was mir das Leben schenkt. 

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